Zotter Schokolade

Chocolatier Josef Zotter baute sein süßes Reich in Bergl bei Riegersburg konsequent und kompromisslos unter der Prämisse auf, die Welt ein kleines Stück besser zu machen.
Familie Zotter
© Graeme Kennedy

Vom Kuhstall in die weite Welt

von Wolfgang Maria Gran

Manchmal hat man es als Journalist:in nicht leicht. Da muss man fast schon raffinierteste Verhörtechniken anwenden, um Menschen die Puzzleteile aus ihrem Leben und Wirken zu entlocken, aus denen sich ein möglichst stimmiges Bild zusammenstellen lässt. Sehr selten ist man aber auch mit dem Gegenteil konfrontiert. Wenn man zum Beispiel mit Josef Zotter zu tun hat. Was, so denkt man zu Beginn, soll man da noch fragen?

© Zotter Schokolade
Josef und Julia Zotter

Einen Mann, zu dem ohnehin schon alles gesagt, geschrieben und vor Kameras abgedreht worden ist. Ein offenes und öffentliches Buch, bei dem keine Seite mehr fehlt, möchte man meinen. Bis man dann mit Josef Zotter spricht und draufkommt, dass über diesen Menschen nie alles gesagt sein wird, weil er auch als Mittsechziger noch ständig in Bewegung ist, Neues ausbrütet und vermeintlich Altbekanntes so interessant und humorvoll zu rekapitulieren weiß, dass man das Gefühl bekommt, das alles zum ersten Mal zu hören.

Es ist die Lebensreise eines 1961 in Feldbach geborenen Bauernbuben, der sehr früh vom Gedanken „beseelt war“, Schokolade zu machen. Deshalb versuchte sich der gelernte Koch und Kellner im Hinterzimmer der Konditorei, die er 1987 in der Grazer Glacisstraße eröffnet hatte, ab 1992 als Chocolatier und erfand die „handgeschöpfte Schokolade“ in Schichten und Lagen. Schon die Sorten der ersten Stunde wie Mohn-Zimt, Kürbiskrokant mit Marzipan, Hanf oder Champagner ließen erahnen, dass hier einer seinen ganz eigenen Weg ging.

Als Kreativer war Josef Zotter schon in jungen Jahren ein Senkrechtstarter, aber was das Wirtschaften betraf, gab es noch bittere Lektionen zu lernen. Vom schnellen Erfolg mit der Stammkonditorei mitgerissen, expandierte der Jungunternehmer im Überschwang zu rasch und schlitterte 1996 in die Insolvenz.

© Graeme Kennedy
Familie Zotter
Familienbande: Ulrike, Josef, Valerie, Julia und Michael (v.l.n.r)
© Graeme Kennedy
Familie Zotter

Nach drei Jahren Konsolidierungsphase wurde der „verlorene Sohn“ in der elterlichen Landwirtschaft vorstellig und gründete im vormaligen Kuhstall seine Schokoladenmanufaktur: „Da hatte ich nicht einmal ein Schild draußen. Die Leute, die etwas kaufen wollten, haben bei meiner Mutter an der Tür geklopft“, erinnert sich Josef an die Anfänge einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.

„Meine Frau wollte lieber die Konditorei weiter betreiben, ich wollte Schokolade machen. Also haben wir bei einem Glas Wein demokratisch abgestimmt. Die Konditorei war saniert und sie wollte Sicherheit, ich wollte ganz auf Schokolade setzen. Ihre Bedingung war, keinen Kredit mehr zu unterschreiben. Da wir eh keinen mehr bekommen hätten, habe ich zugestimmt und die Abstimmung gewonnen.“
Josef Zotter

PROTESTHALTUNG UND LEBENSPHILOSOPHIE

Das Unternehmen, das 1999 im oststeirischen Kuhstall gegründet wurde, hat heute 4000 weltweite Vertriebsstellen, und die mittlerweile gut 500 Sorten werden aus ausschließlich biologischen Zutaten gefertigt – das sind mittlerweile zwischen 700 und 800: „Das ging natürlich nicht über Nacht, sondern Schritt für Schritt“, sagt Josef. Schritte, die manchmal ziemlich beschwerlich waren und kreative Lösungen erforderten.

Zum Beispiel, als für die Champagner-Schokolade, bis heute die meistverkaufte im Sortiment, eine Bio-Produzentin oder ein -Produzent gesucht wurde: „Da gab es damals nur den Fleury, und den hat meine Anfrage überhaupt nicht interessiert“, erzählt der steirische Schokoladenkönig schmunzelnd. Also schickte er dem Champagner-Produzenten, dessen Gut später zum ersten Demeter-zertifizierten der Welt wurde, einfach ein paar Schokoladen zum Probieren – und erhielt kurz darauf einen Anruf aus Frankreich: „Seine Frau hat mir gesagt, ihr Mann habe noch nie eine derart gute Schokolade gegessen, und schon waren wir im Geschäft. Heute bin ich sein größter Abnehmer, und bevor der irgendwem etwas gibt, sagt er: Zuerst kriegt’s der Zotter.“

© Zotter Schokolade
Zotter Schokolade
Vielseitiges Sortiment: Pralinen, Schokoladentafeln…
© Zotter Schokolade
Zotter Schokolade
.. Nüsse und Früchte in Schokolade…
© Zotter Schokolade
Zotter Schokolade
… und alles in unzähligen Variationen.

Warum ihm Bio seit jeher so wichtig war, kann der Chocolatier erklären: „Ich bin in einer Zeit sozialisiert worden, als es den Kampf um die Hainburger Au und gegen das Atomkraftwerk in Zwentendorf gab. Wir wollten die Welt verändern.“ Aber auch in seiner kleinen Welt gab es einen Grund, nämlich die Art, wie sein Vater die Landwirtschaft betrieb: „Das war Hardcore. Für ihn waren Spritzmittel die Lösung für alles. Das habe ich schon sehr früh mitbekommen, und das hat meine Haltung geprägt.“ Bio war für den Vater nicht mehr als eine Schnapsidee, und das führte auch regelmäßig zu familieninternen Streitgesprächen. Umso mehr freut es Josef Zotter bis heute, dass es bei einem Gespräch am Hof doch noch zum Friedensschluss gekommen ist: „Da hat der Vater zu mir gesagt: ‚Du, Pepperl, am End‘ hast vielleicht doch recht gehabt.‘ Das war emotional für mich schon sehr großartig.“

„Bio war für mich seit jeher eine Lebenseinstellung, etwas, mit dem ich dazu beitragen wollte, die Welt zu verbessern. Ich habe schon vor 30 Jahren ein Bio-Brot gegessen, das hat bei den Ohren rausgestaubt. Aber gegessen hab ich’s – weil es Bio war.“
Josef Zotter

MITTELMASS IST UNINTERESSANT

Die Vollumstellung auf Bio-Produktion und „Bean-to-bar“, ein Produktionsmodell, bei dem eine Schokoladen-Herstellerin oder ein -Hersteller alle Schritte von der Kakaobohnengewinnung bis zur Endfertigung des Produkts in die eigene Hand nimmt, erfolgte von 2004 bis 2006. Darüber hinaus war Josef Zotter stets auch der faire Handel ein Anliegen, was den Steirer zum Weltreisenden machte, der alle Produzentinnen und Produzenten selbst besuchte: „Ich dachte, wenn ich zu Kakaobäuerinnen und -bauern komme und die unter fairen Bedingungen so herausfordern kann, dass sie ein erstklassiges Produkt sauber in den Sack bringen, stärke ich deren Selbstvertrauen, und ich kann eine bessere Schokolade machen.“

© Zotter Schokolade
Zotter Schokolade
Die Zotter-Erlebniswelt in Riegersburg.
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Zotter Schokolade
Schokolade verkosten ohne Ende.
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Zotter Schokolade
Schokolade verkosten ohne Ende.

Es ist typisch für Josef Zotter, dass er von einer „besseren“ Schokolade spricht und den Superlativ vermeidet. Denn auch, wenn seine Produkte da und dort bereits als „beste Schokolade der Welt“ bezeichnet wurden, hat er dazu eine ganz andere Meinung: „Es gibt die beste Schokolade nicht. Wie soll es die auch geben? Für manche ist die superbittere die beste, andere können die nicht essen und brauchen etwas Süßes.“

„Bei der Produktentwicklung bin ich nicht teamfähig. Ich sage zu meiner Tochter Julia immer: Wenn Zotter draufsteht, muss Zotter drinnen sein. Nicht Maier. Machen tut’s dann eh der Maier, aber der Geist, der muss vom Zotter sein. Nicht, weil einer alles weiß, sondern damit es für etwas steht.“
Josef Zotter

Diverse Rankings interessieren ihn also nicht, aber von einem ist er überzeugt: „Die Mittelmäßigkeit bringt uns als Gesellschaft nicht weiter. Es braucht Mut zum Risiko, um wirklich Geniales zu erschaffen.“ Dieser Leitsatz schwebt auch über der Produktion seiner außergewöhnlichen Schokoladen: „Wir machen sehr viele Geschmacksrichtungen, und viele glauben, dass es da ein Team gibt, das forscht, verkostet und Umfragen in Auftrag gibt. Das machen wir nicht. Wir entwickeln Rezepturen auf dem Papier, nicht im Topf. Und da kann etwas total Grausiges oder etwas super Geniales herauskommen. Mit dem ganzen Probieren und Blindverkosten passiert nämlich eines: Das Grausige verschwindet, aber das Geniale auch. Und dann trifft man sich in der Mittelmäßigkeit, aber von der haben wir schon genug.“

© Zotter Schokolade
Zotter Schokolade
Direkt neben der Schokoladenfabrik steht der „Essbare Tiergarten“…
© Zotter Schokolade
Zotter Schokolade
… inklusive Spielplatz und Kunstpark.

In mittlerweile 38 Jahren hat es Josef Zotter geschafft, dass sein Unternehmen niemals an so etwas wie Mittelmäßigkeit auch nur angestreift ist. Das wird wohl auch so bleiben, wenn er und seine Frau Ulrike 2026 die Geschäftsführung an ihre Kinder Julia und Michael übergeben. Denn die haben von den Eltern viel, aber vor allem eines gelernt: Wo Zotter draufsteht, muss Zotter drinnen sein. Und zwar nicht der Name, sondern die Seele.

Josef Zotter

Josef Zotter

Von welcher Schokolade aus dem eigenen Sortiment kannst du die Finger nicht lassen?
Von der Preiselbeer-Schokolade.
Für welche Persönlichkeit der Geschichte hättest du gern eine Schokolade kreiert?
Barack Obama – weil er mich gleichermaßen als Person und als Präsident fasziniert hat. Für Donald Trump habe ich in der ersten Präsidentschaft schon einmal eine Schokolade gemacht – die „Fake Chocolate“, bei der etwas draufstand, was nicht drinnen war.
Was kann man von dir lernen?
Kompromisslosigkeit.
Mit welchem Gerücht würdest du gern aufräumen?
Dass man zuerst pleitegehen muss, ehe man erfolgreich wird. Wie man an mir gesehen hat, kann das zwar passieren, aber es muss nicht sein.
Wie würden dich deine Mitarbeiter:innen beschreiben?
Manchmal nicht ganz dicht.
Zotter Schokolade

Zotter Schokolade ist Mitglied von Gaumen Hoch*

*Gaumen Hoch ist eine Gemeinschaft von Menschen aus der Gastronomie und Landwirtschaft, die sich mit ihrem verantwortungsvollen Handeln für einen gastronomischen Wandel einsetzen. Mit ihrer Mitgliedschaft leisten sie einen Beitrag, um diese Veränderung zu unterstützen. Gaumen Hoch-Mitglieder bekennen sich zu unserem Wertemanifest und werden jährlich von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle geprüft.

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