Erstens kommt es anders, und zweitens, als man sagt. Nach seinen ersten gastronomischen Gehversuchen stand für den damals knapp 20-jährigen Koch Paul Gamauf nur eines vermeintlich fest: „Nie wieder Hotel. Da reden zu viele Menschen kreuz und quer durcheinander.“ 15 Jahre später, nach lehrreichen Jahren im vegetarisch-veganen Gourmettempel Tian, im Fünf-Hauben-Restaurant im Palais Coburg und als Küchenchef im Parlamentsrestaurant Kelsen, landete Paul als neuer Boss am Herd – richtig: im Hotel. Und zwar im Gourmetrestaurant „Edvard“ des Anantara Palais Hansen Vienna Hotels, dem vormaligen Kempinski. Der Grund für den Sinneswandel ist ein einfacher: Hier redet nicht nur niemand kreuz und quer, sondern die Hotelleitung teilt Gamaufs Philosophie von nachhaltiger, naturnaher Küche und lässt dem Spitzenkoch und seinem Team völlig freie Hand dabei, das auch umzusetzen.
„Das Edvard wird uns als Bühne zur Verfügung gestellt, auf der mein Küchenteam und ich sämtliche Freiheiten genießen.“
Handverlesenes Netzwerk
Das beinhaltet auch und vor allem die Zusammenarbeit mit Produzentinnen und Produzenten. Hier hat der gebürtige Wiener ein klein strukturiertes, handverlesenes Netzwerk zur Verfügung, mit dem er eine heikle Gratwanderung trittsicher meistert: Dem Gedanken an Nachhaltigkeit und Regionalität möglichst treu zu bleiben und den Gourmet-Gästen trotzdem das Gefühl zu geben, dass alles da ist, was der Gaumen für genussvolle Glücksmomente begehrt. Dafür muss man auch einfallsreich sein, denn wenn man Meeresfische anbieten will, wird das in Österreich regional nicht funktionieren. Aber da hat Paul durch den Tipp eines Kollegen einen kroatischen Fischer aufgetan, dessen Arbeitsweise absolut in Einklang mit seinem ökologischen Gewissen zu bringen ist: „Der fährt mit kleinen Kuttern raus, fängt nur das, was bestellt ist, und ich habe den Fisch 24 bis 48 Stunden nach dem Fang im Restaurant.“
Im Land arbeitet Paul Gamauf mit den Allerbesten zusammen – wie Michael Bauer, den das S Magazin einmal den „Künstler der lukullischen Botanik“ nannte. Der außergewöhnliche Obst- und Gemüsebauer aus Stetten bei Korneuburg ist ebenso Partner im „Edvard“-Netzwerk wie Oberwasser, der Süßwasserfisch-Lieferant aus Schwarzau im Gebirge in Niederösterreich.
„Was unsere Produzenten betrifft, ziehen wir im Sinne der
Nachhaltigkeit und Regionalität quasi eine virtuelle Linie in
einem gewissen Radius um Österreich.“
Naturaffiner Küchen-Monk
Manches besorgt der Küchenchef hingegen einfach selbst, wenn er wieder einmal in der Natur frische Kräfte tankt. Schwarzpappel, zum Beispiel, oder Steinklee: „Es reichen schon die Wiener Wälder, die Hausberge, um immer wieder etwas zu entdecken, das man essen und in Gerichte einbauen kann – etwas, das die Leute so nicht auf dem Schirm haben“, erzählt Gamauf. Da sammelt er dann bei seinen Laufrunden oder Spaziergängen, legt ein und fermentiert – und schon ziert die nächsten Teller ein neuer lukullischer Genusstupfen.
„Wir als Köche müssen verstehen, dass die Welt im Wandel ist und wir in unserer Tätigkeit eine tragende Rolle in dieser Entwicklung haben. Wir können nicht mehr so tun, als wäre alles noch wie vor einigen Jahren.“
Haubenküche, das ist für Paul Gamauf „so ein Kindheitsding“, etwas, das ihn immer schon begeistert hat. Was es in der Praxis bedeutet, haben ihn seine Stationen gelehrt, und das hat die Faszination sogar noch gesteigert: „Ich gebe zu, dass ich in gewisser Weise schon ein bisschen ein Monk bin. Ich will einfach, dass jeder Teller gleich ausschaut, dass jeder Gast dieselbe Qualität bekommt.“
Paul Ivić, der „Gemüseflüsterer“ vom Tian, oder Silvio Nickol vom Palais Coburg waren da erstklassige Lehrmeister. Inzwischen hat Paul längst selbst viel weiterzugeben, sagt aber: „Ich sehe uns als Team und will vom Wissen der Köchinnen und Köche, die mit mir arbeiten, profitieren.“ Eine Führungseinstellung, aus der nicht nur Küchenchef und Team, sondern vor allem auch die Gäste ihre Vorteile ziehen.