Es kommt nicht oft vor, aber manchmal hat man das Glück, schon in der ersten Minute zu erkennen, ob jemand routiniert und geschickt verpackt seinen Marketingsprech abliefert, oder aus tiefster Seele frei herausplaudert.

Werner Punz, der frühere Hauben- und Sternekoch aus Kirchberg im Pielachtal, ist einer von der zweiten Sorte. Jeder andere hätte beim Streifzug durch die berufliche Vita wie die sprichwörtliche „Steig’n voller Affen“ damit geprotzt, in London für Joël Robuchon gearbeitet zu haben. Für einen der wenigen auf der Welt, die mit dem Titel „Koch des Jahrhunderts“ ausgezeichnet wurden. Und für den, der mit seinen Restaurants noch vor Alain Ducasse die meisten Michelin-Sterne einheimste.
Nicht so Werner Punz. Klar erwähnt er diese Station, so wie auch die Jahre im „Taubenkobel“ oder die Zeit im „Le Ciel by Toni Mörwald“. Aber schwärmen, und zwar so, dass seine freundlichen Augen regelrecht zu glitzern beginnen, das tut er von seinem ersten Lehrplatz, der Wirtshausküche im Loibnerhof in Dürnstein in der Wachau: „Das ist für mich nach wie vor das Paradebeispiel eines Wirtshauses, wo die traditionelle Küche ein Heiligtum ist. Dort habe ich wahnsinnig viel von dem gelernt, was mir heute im Vinzenz Pauli zugutekommt.“
Okay, alles recht und schön und sehr sympathisch bescheiden. Aber das beantwortet nicht die Frage, was einen Koch mit dieser Visitenkarte weg von Hauben und Sternen in ein ehemaliges Bahnhofswirtshaus getrieben hat.
„Was wir hier betreiben, ist eine Küche auf einem sehr hohen Niveau – aber halt quasi in einem Wohnzimmer, im charmanten Ambiente dieses rustikalen Bahnhofswirtshauses.“
Wirtshaus als „Kulturstätte“
„Dazu muss man gleich einmal eines sagen: Nicht ich habe dieses Lokal gefunden, sondern es mich“, erzählt Werner schmunzelnd. Er war damals eigentlich wegen eines anderen Projektes in St. Pölten gewesen, verliebte sich aber dann rasch in den Gasthof mit der 120 Jahre alten Tradition: „Dieses Lokal hat Charakter, Charme und sehr viel zu erzählen.“
Wobei die kulinarische „Erzählung“ erst seit zehn Jahren der Rede wert ist und sich ab 2020, als Werner Punz als Küchenchef andockte, in Form von Mundpropaganda rasend schnell ausbreitete. Da war plötzlich einer in der früheren gastronomischen Wüstenlandschaft der niederösterreichischen Landeshauptstadt, der ein kulinarisches Kunststück zuwege brachte. Traditionelle Gerichte so unverfälscht auf den Teller bringen, dass man meinen konnte, man wäre bei der Oma zum Essen eingeladen. Und gleichzeitig kreative Feuerwerke auf hohem Niveau abzubrennen, die man in einem Wirtshaus nie vermutet hätte.
Man hat das Gefühl, der Pielachtaler Spitzenkoch fühlt sich nach seiner lehrreichen Reise zu den ersten gastronomischen Adressen im früheren Alpenbahnhofs-Gasthaus angekommen. Stimmt dieser Eindruck? „In gewisser Weise auf jeden Fall“, sagt Werner Punz. „Österreich steht für Kultur, und da gehört auch die Wirtshauskultur dazu. Da bewegt sich was, da muss diskutiert und sich wieder zusammengerauft werden, da muss ein Leben drinnen sein. Wir haben einen Raum, da wird einmal die Woche Bridge gespielt und einen anderen, in dem die Leute Salsa tanzen. Das Wirtshaus ist ein Kulturgut, und meine Bestrebung ist, dass sich das auf dem Teller, aber auch darüber hinaus ausdrückt.“
„Wenn wir in einem Wirtshaus anfangen, junge Leute mit Sushi, Pizza oder Burger abholen zu wollen, dann sind wir auf dem Holzweg. Ein Wirtshaus ist ein Stück Kultur, und das gehört gesichert und weitergetragen.“
Respekt vor den Rohstoffen
Egal, was Werner Punz und sein Team in der Küche zaubern – ob eine geröstete Leber nach traditionellem Rezept oder eine gebackene chinesische Keule. Eines steht stets über allem: die Qualität der Rohstoffe: „Da bin ich von klein auf geformt. Die Großeltern waren Landwirte, der Vater Fleischhacker, da geht dir ein respektvoller Umgang mit Lebensmitteln in Fleisch und Blut über.“
Und dann sagt der seit Juli 2025 alleinige Chef des Vinzenz Pauli einen Satz, den man von einem Spitzenkoch auch nicht alle Tage hört – zumal diese Spezies in der Regel nicht im Verdacht steht, etwas gegen ein zu kleines Ego unternehmen zu müssen: „Ich glaube, es ist egal, ob du Wirtshaus- oder Sterneküche kochst: Mit einem geilen Produkt musst du nicht mehr viel tun, das muss man ganz klar sagen.“
Aus Prinzip nicht Feilschen
Wobei man „nicht mehr viel tun“ schon aus der Warte eines Könners interpretieren muss, für den ein einfacher Handgriff ist, worüber andere als unüberwindliche Hürde stolpern. Aber trotzdem. Es ist eine Aussage, die die Einstellung eines Menschen spiegelt, für den die Qualität dessen, womit er arbeitet, höchste Priorität hat: „Der Preis kommt erst irgendwo an vierter, fünfter Stelle. Und ich verhandle da auch nie, das ist ein Prinzip von mir. Ich kenne die Arbeit zum Beispiel eines Bio-Bauern und die Qualität seines Produkts, also warum sollte ich versuchen, den zu drücken?“
Es kommt schließlich auch keiner auf die Idee, bei ihm im Vinzenz Pauli um die Preise auf der Speisekarte zu feilschen. Denn die sind erstens ohnehin einem Wirtshaus angemessen moderat, und zweitens weiß man dort quasi mit dem ersten Bissen um die Qualität des Produkts. Deshalb hat das Wirtshaus mittlerweile auch so viele Stammgäste.