Elke und Matthias Salomon geben nicht oft Interviews, sagen sie. Das verwundert ein wenig, denn das, was sie da am Gut Oberstockstall seit vielen Jahren auf die Tische bringen, ist beeindruckend und erzählenswert. Wobei die kulinarische Geschichte des Gutes schon viel früher beginnt, nämlich 1987, als Matthias‘ Mutter Eva Salomon neben der Landwirtschaft einen Heurigen eröffnete. Es dauerte nicht lange, bis Liebhaber:innen der regional-saisonalen Küche diesen besonderen Ort entdeckten. Der Heurige wurde zum Restaurant mit gehobener Küche, dem Gäste jahrzehntelang treu blieben. Auch noch, nachdem Eva Salomon 2012 in den verdienten Ruhestand ging. Und Matthias und Elke ihr Lebenswerk seitdem behutsam in die Zukunft führen.
„Die Visionen der Mutter von einer einfachen, ehrlichen Küche aus hochwertigen regionalen und saisonalen Zutaten leben wir weiter.“
Kleine Betriebe mit guten Ansichten
Die Produkte kommen vorwiegend aus der Region, einiges auch vom eigenen Demeter-Hof und -Weingut. „Die Visionen der Mutter von einer einfachen, ehrlichen Küche aus hochwertigen regionalen und saisonalen Zutaten leben wir weiter. Wir schauen nur, dass wir immer mehr biozertifizierte Produktionsbetriebe finden. Wenn der Bauer aus der Region mit Spritzmitteln über die Produkte drüberfährt, dann ist uns regional zu wenig“, sagt Elke Salomon.
Ausnahmen bilden Betriebe, die die Salomons persönlich kennen und denen sie vertrauen, weil sie wissen, wie dort gearbeitet wird. „Es gibt zum Beispiel kleine Sennereien, die keine Zertifizierung haben, aber silofrei arbeiten“, sagt Matthias. In den letzten Jahren seien einige neue Produzentinnen und Produzenten „mit guten Ansichten“ in die Region gekommen. Die meisten dieser Kleinbetriebe werden von jungen, motivierten Leuten geführt, die großes Interesse an der Herstellung von hochwertigen und gesunden Lebensmitteln wie Öl oder Schafskäse haben. „Solche Betriebe muss man unterstützen,“ sagt Elke, „da zahlt man auch gerne etwas mehr. Man weiß ja, dass es nicht leicht ist, sowas aufzubauen.“
„Mah, das Confit von der Gans!“
„Für meine Mutter war ‚nose to tail‘ völlig normal, sie hat das immer schon so gemacht.“
In unsicheren Zeiten wie diesen ist es auch nicht leicht, einen gastronomischen Betrieb am Land zu führen, zu dem auch noch eine biodynamische Landwirtschaft, ein ebensolches Weingut und Gästezimmer gehören, die einen in ihrer ruhigen Ästhetik wohlig umhüllen. Aber die Salomons – Matthias‘ Bruder Fritz und seine Frau Birgit kümmern sich um den Hof, den Wein und die Zimmer – machen ihr Ding und sind damit am Puls der Zeit.
„Für meine Mutter war ‚nose to tail‘ völlig normal, sie hat das immer schon so gemacht“, sagt Matthias. Heute noch schwärmen Gäste vom Salomonschen Confit von der Gans, den Lammkutteln oder der Ente in den unterschiedlichsten Spielarten. Die rosa gebratene Entenbrust hat sich als Signature Dish gehalten. Es gibt aber auch ein vegetarisches Menü, „nicht, weil das ein lustiger Trend ist, sondern weil wir selbst oft vegetarisch essen und glauben, dass das die Zukunft ist“, sagt Elke. Die fleischlose Variante wird sehr gut angenommen. Auch von den jungen Gästen, von denen neben den Stammgästen immer mehr kommen.
Progressive Nostalgie am Landgut
„Wir haben irgendwann begonnen, die konventionellen Weine statt den Bio-Weinen zu kennzeichnen – das war weniger Arbeit.“
Richtig progressiv wird es bei der Weinkarte. Mehrere hundert von Matthias kuratierte Positionen finden sich darauf, der Chef ist auch Diplom-Sommelier. Orange-Wines und andere Naturweine hatte er schon 2016 im Sortiment. Seitdem kaufen die Salomons auch ausschließlich Bio-Weine ein, die vom eigenen Gut sind sowieso Demeter-zertifiziert. „Wir haben irgendwann begonnen, die konventionellen Weine statt den Bio-Weinen zu kennzeichnen – das war weniger Arbeit“, sagt Matthias. Und Elke ergänzt: „Das spiegelt unsere Philosophie sehr gut wider, weil wir finden, dass Bio normal sein sollte. Und alles andere nicht.“
Naturweine sind nicht jedermanns Sache, das ist den Salomons klar. Aber sie freuen sich über alle, die sich darauf einlassen. Und besonders über jene, die dabeibleiben. Dasselbe gilt freilich für hochwertige Bio-Nahrung. „Die Leute geben so viel Geld aus für Schwachsinnigkeiten, aber bei der Nahrung fangen sie an zu sparen – das darf einfach nicht sein. Ernährung ist Selbstliebe: Es geht darum, auf sich selbst zu schauen, auf seinen Körper zu schauen“, sagt Elke. Darauf aufmerksam zu machen, ist den Salomons ein Anliegen. Und das lässt sich besser mit „Jungem Spinat vom Rudi mit Nussbutterschaum“ oder „Hausgemachten Ricotta-Ravioli mit Malafa-Spargel“ vermitteln als mit dem erhobenen Zeigefinger.
„Mach ma ein paar Leute glücklich!“
Wer am Gut Oberstockstall einkehrt, kommt gern wieder. Wer mal dort war, versteht warum: „Wenn man bei uns durch das Tor reingeht, den großen, imposanten Nussbaum sieht und die Kapelle, die in den Himmel ragt – das hat schon was“, sagt Elke. Und Matthias ergänzt: „Die Ruhe zieht viele an. Vor allem abends ist es schön, wenn die Gäste draußen bei Laternenlicht sitzen. Das Einzige, was dann zu hören ist, sind die Grillen.“ Und das zarte Geklimper des Bestecks oder dieses freundliche Geräusch, das Gläser machen, wenn man mit ihnen anstößt: Cin-Cin.
Es ist ein Kraftort, wie Elke sagt. In der Renaissancezeit gab es am Gut ein ganzes Alchemistenlabor, wo an Metalllegierungen gearbeitet wurde. Erst 1980 wurde es geborgen. Die Veredelung, die bei der Alchemie geschieht, liegt in der DNA des Ortes. Nur, dass heute Garten-Gurken und Paradeiserraritäten vom eigenen Hof und viele andere Bodenschätze veredelt werden, die Menschen große Gaumenfreuden bescheren. „Ein Koch von uns hat das mal kurz vor dem Mittagsgeschäft ganz gut gesagt: ‚So, mach ma mal wieder ein paar Leute glücklich!‘“, erzählt Elke. „Und wenn dann von den Gästen auch noch gutes Feedback kommt, ist es doppelt schön.“
Dieses Unmittelbare, dieses Nah-dran-Sein am Gast, der ständige Austausch und die wertschätzende Haltung allem Leben gegenüber – auch das ist es, was den Salomons Antrieb gibt. Und sinnstiftend ist. Für das Paar, die beiden Kinder, die weitere Familie. Und die, die sich ein bisschen in den Kraftort verlieben.