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Familienweingut Braunstein

Weinbau und Monokultur? Für Birgit Braunstein geht das nicht zusammen. Die Winzerin ist eine Pionierin der Biodynamie – und zeigt auf ihrem Weingut in Purbach, wie gut Biodiversität im Glas schmeckt.
Birgit Braunstein
© Tibor Rauch

Kompost statt Kompromisse

von Lucas Palm
© Tibor Rauch
Birgit Braunstein

Ein Komposthaufen reichte – und schon wurde Birgit Braunstein angezeigt. „Das hat irgendwem nicht ins Landschaftsbild gepasst, und überhaupt fanden die Leute damals, im Jahr 2003, einen Komposthaufen am Weinberg abnormal“, erinnert sich die Winzerin aus Purbach. Natürlich: Man könnte diesen Vorfall als absurde Fußnote in Braunsteins Werdegang abtun. Nur: In dieser Anzeige steckt mehr. Sie verrät nämlich so einiges über Österreichs Verständnis von Landwirtschaft. Aber auch viel über Birgit Braunstein selbst, die als eine der ersten in Österreich Weinbau als etwas begriff, das weit über die bloße Bewirtschaftung von Rebstöcken hinausgeht.

Zwei Ausnahmesommer als Wendepunkt

Dass es dazu kam, hat erstaunlich wenig mit dem 600 Jahre alten Hof zu tun, auf dem die Burgenländerin aufwuchs. Denn: Die natürliche Magie des Weinbaus, die entdeckte die junge Birgit Braunstein ganz woanders – nämlich in Bordeaux.

„Während meines Wirtschaftsstudiums habe ich mich in Saint-Émilion zum Thema Rotwein weitergebildet und war fasziniert von den naturbelassenen, lebendigen Weingärten, den vitalen Weinen und der Aufmerksamkeit, die dort den Böden entgegengebracht wurde“, erinnert sie sich heute. „Damals stand für mich fest: So werde ich das auch zu Hause machen, und nur so.“

© Tibor Rauch
„Dieses ewige Maximieren lässt die Natur verhungern. Deswegen haben wir vor einigen Jahren auch mit den Tieren begonnen“, erklärt Birgit das rege Treiben in ihren Weingärten.
„Weinbau ist an und für sich Monokultur, und in den meisten großen Weingegenden steht oft weit und breit kein Baum, grasen keine Tiere, fliegen keine Insekten“
Birgit Braunstein

Doch im Österreich der späten Neunziger war das alles andere als einfach. Konventionell bewirtschaftete, fast schon steril aussehende Weingärten waren die Regel, alles andere die Ausnahme. Auf Unterstützung jedenfalls konnte Braunstein damals nicht zählen. „Es gab auch keine Bewegung dafür“, sagt sie. Bis in den Jahren 2002 und 2003 das Klima zwei Sommer hintereinander verrückt spielte.

„Durch die Überschwemmungen, die Hitzerekorde und Wetterkapriolen war alles aus dem Gleichgewicht. Da wusste ich: Jetzt ist es Zeit. Schlimmer konnte es sowieso nicht werden. Das war der Moment, wo ich meinen Mut zusammengenommen habe und auf Bio umgestellt habe.“ Und das war nur der Anfang. Denn mittlerweile geht’s bei Birgit Braunstein um weit mehr als nur um Bio. 

© Tibor Rauch
Insgesamt 15 Bienenvölker leben auf Birgits Kräuterwiesen – gepflegt werden sie in Zusammenarbeit mit Imker:innen.

Vielfalt statt Maximierung

„Weinbau ist an und für sich Monokultur, und in den meisten großen Weingegenden steht oft weit und breit kein Baum, grasen keine Tiere, fliegen keine Insekten“, sagt Braunstein. „Dieses ewige Maximieren lässt die Natur verhungern. Deswegen haben wir vor einigen Jahren auch mit den Tieren begonnen“, erklärt Braunstein, die seit 2016 übrigens auch zertifiziertes Demeter-Mitglied ist. Und mit Tieren meint sie Hühner, Ziegen und Schafe, die sich in und um ihre Weingärten tummeln.

„Wir machen unser eigenes Heu, mit dem füttern wir unsere Tiere, und die wiederum füttern mit ihrem Dung, der kompostiert wird, unsere Böden, auf denen unsere Reben wachsen.“
Birgit Braunstein

In Zusammenarbeit mit Imker:innen werden auf den Kräuterwiesen 15 Bienenvölker gepflegt, alte Kirschbäumeund noch ältere Schmetterlingsarten vor dem Aussterben bewahrt, und überhaupt eine Kreislaufwirtschaft betrieben, die ihren Namen auch verdient: „Wir machen unser eigenes Heu, mit dem füttern wir unsere Tiere, und die wiederum füttern mit ihrem Dung, der kompostiert wird, unsere Böden, auf denen unsere Reben wachsen.“ Und genau diese Reben sind es, aus denen Braunsteins unverfälschte Terroirweine entstehen.

© Tibor Rauch
Maximilian, Felix und Birgit Braunstein
Familie Braunstein: Birgits Söhne Felix und Maximilian haben inzwischen mit den Braunstein Brothers ihre eigenen Linie auf den Markt gebracht.
© Tibor Rauch
Maximilian, Felix und Birgit Braunstein

Die Böden des Leithagebirges aus Schiefer, Muschelkalk und kristalliner Quarz treffen auf die Hauptrebsorten Blaufränkisch, Pinot Noir, Weißburgunder und Chardonnay – und sorgen in den Weinen für eine Mineralität, Feingliedrigkeit und Eleganz, die heute auch international Bewunderung finden. Mittlerweile scharren auch schon Birgit Braunsteins Söhne in den Startlöchern: Die beiden „Braunstein-Brothers“ arbeiten in zwei Weingärten und keltern daraus zwei Weine – „und ein dritter ist schon in Arbeit“, verrät die sichtlich stolze Mutter. „Für meine Söhne ist Biodynamie völlig normal“, sagt sie. „Anders können sie es sich gar nicht vorstellen. Und dass Komposthaufen einfach dazu gehören, das muss diese Generation zum Glück niemandem mehr erklären.“

Birgit Braunstein

Birgit Braunstein

Drei Dinge, die du immer in deinem Kühlschrank hast?
Käse, Gemüse, mehrere Flaschen Wein – das sind jetzt mehr als drei Dinge?
Ein Geschmack deiner Kindheit?
Germgugelhopf von meinem Opa Josef Braunstein.
Deine nächste kulinarische Reise?
Kopenhagen mit la Renaissance des Appellations.
Wovon kannst du nicht genug kriegen?
Natur und dunkle Schokolade.
Wie schaltest du ab?
Beim Üben von Qigong  und Kriya Yoga – bin daher staatlich geprüfte Qigong Lehrerin und Kriya Yoga Lehrerin.
Familienweingut Birgit Braunstein

Familienweingut Birgit Braunstein ist Mitglied von Gaumen Hoch*

*Gaumen Hoch ist eine Gemeinschaft von Menschen aus der Gastronomie und Landwirtschaft, die sich mit ihrem verantwortungsvollen Handeln für einen gastronomischen Wandel einsetzen. Mit ihrer Mitgliedschaft leisten sie einen Beitrag, um diese Veränderung zu unterstützen. Gaumen Hoch-Mitglieder bekennen sich zu unserem Wertemanifest und werden jährlich von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle geprüft.

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