Diese Geschichte beginnt mit einem Nein. Es ist das Nein eines Kindes, das im Weingarten steht, und sagt: „Das ist sowas von grauslich. Ich mache das entweder ganz anders oder gar nicht!“ Das Kind ist die kleine Birgit Pferschy-Seper, der Weingarten einer in der malerischen Thermenregion – in Mödling, um genau zu sein. Was die kleine Birgit so grauslich findet, das sind die vielen Spritzmittel, die in den Nachbarsweingärten auf die Rebstöcke gespritzt werden. Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Ihr Ekel vor diesen Spritzmitteln sollte sie bald zu einer der mutigsten Winzerinnen der Region machen.
Seit 300 Jahren führt die Familie Pferschy-Seper hier ihr Weingut. Damit ist es eines der ältesten der Region, hat aber noch eine weitere Besonderheit: Seit vier Generationen ist es in Frauenhand. Dass es seit 2004 biozertifiziert ist, liegt daran, dass Birgit Pferschy-Seper nie von ihrem kindlichen Nein abgekommen ist. Auch damals, Ende der 1990er-Jahre nicht, als sie das Weingut samt Heuriger von ihrer Mutter übernahm. „Ich wollte nicht nur gern selbst in unseren Weingärten sein, sondern auch meine Kinder mitnehmen können. Und zwar ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn sie sich ein Stück Gras in den Mund stecken.“
Pferschy-Seper sagt das ohne erhobenen Zeigefinger. Dass ihre Elterngeneration sorgloser mit Spritzmitteln umgegangen sei, habe einen einfachen Grund: „Die meisten von ihnen wussten es nicht besser, es gab kein Wissen, keine Ausbildung, keine Netzwerke“, sagt sie. „Und doch hat meine Mutter als eine der ersten in der Region biologisch gearbeitet, damals allerdings noch ohne offizielle Registrierung.“ Heute gilt Birgit Pferschy-Seper als Bio-Pionierin der Region – und das ganz offiziell. Nur: Als einsame Einzelkämpferin will sie sich nicht verstanden wissen. Ganz im Gegenteil.
Gemeinsam für die Reben-Revolte
„Wenn jeder das Rad allein neu erfände, dann würden wir heute noch mit der Pferdekutsche fahren“, ist sie überzeugt. „Ohne Vernetzung, ohne Austausch, ohne gemeinsames Handeln gibt es meines Erachtens keinen Fortschritt. Damals gab es im Weinviertel eine sehr intensive Arbeitsgruppe, die sich mit Bio-Anbau beschäftigt hat.
Da bin ich immer wieder hingefahren, weil ’s bei uns in der Thermenregion einfach keine Anhaltspunkte gab.“ Die Vorteile der naturnahen Arbeit gehen seither weit über das gute Gewissen, das Pferschy-Seper bei den Ausflügen in die Weingärten mit ihren Töchtern hatte, hinaus: Viele der Weingärten können, das stellt die Winzerin nach rund zwanzig Jahren fest, älter werden. „Das ist in der heutigen Zeit wertvoller denn je, weil diese Rebstöcke mit ihren tieferen Wurzeln hitzeresistenter sind und dem Wasserdruck besser standhalten.“ Und auch dem Wein selbst tut Bio gut.
Stabil und stressfrei
„Sie sind generell stabiler“, erklärt Pferschy-Seper. „Wenn man eine Flasche öffnet, ist der Wein runder, in sich ruhender, und er hält auch länger.“ Die Winzerin spricht in diesem Zusammenhang von „Weinen, die keinen Stress haben“. Weil auch die Reben keinen Stress hatten. Auf acht Hektar wachsen sie in erstaunlich großer Sortenvielfalt: Zierfandler, Rotgipfler, Reinriesling, Chardonnay, aber auch seltene Sorten wie Lämmerschwanz oder Hárslevelu gedeihen hier auf gesunden Böden. Der Großteil der gekelterten Weine wird direkt im Heurigen ausgeschenkt und verkostet.
Wobei eine Rebsorte besonders gern getrunken wird: der Weißburgunder. „Damit verbinden uns Gäste und Weinliebhaber:innen am meisten. Es ist eine ganz, ganz wichtige Sorte für die Region, und wir haben viele Lagen, wo sie wunderbar gedeiht“, erklärt Pferschy-Seper. Klassisch, als Auslese oder als Reserve – letztere aus 60 Jahre alten Reben! –, ist der Weißburgunder in all seinen Varianten ein Wunderding an Vollmundigkeit und Knackigkeit. Und etwas, das Pferschy-Seper im Heurigen auch immer dann serviert, wenn sie nicht weiß, was Gäste wollen.
Weil: „Unser Weißburgunder geht immer!“ Mittlerweile scharrt mit den Töchtern Anna und Leni auch schon die nächste Frauengeneration des Weinguts in den Startlöchern: Anna veranstaltet Seminare rund um das Winzerinnen-Handwerk, Leni hat einen alkoholfreien Frizzante kreiert, der auch bei den Weißburgunder verwöhnten Stammgästen sehr gut ankommt. „Sie gehen beide wachen Auges durch das Leben – und stellen die richtigen Fragen“, sagt Pferschy-Seper stolz. Fragen, auf die Anna und Leni womöglich auch mit einem überzeugten Nein antworten werden. Ganz wie die Mama. Und ganz, wie es sich für die Pionierinnen von morgen gehört.