„Dinkel ist das beste Getreide. Es wirkt wärmend und fettend, ist hochwertiger und milder als alle anderen Getreidekörner. Wer Dinkel isst, bildet gutes Fleisch. Dinkel führt zu einem rechten (gesunden, Anm. d. Red.) Blut, gibt ein fröhliches Gemüt und die Gabe des Frohsinns“
Bis heute gilt der Dinkel als die Inkarnation des gesunden Getreides. Besser als der Weizen soll er sein, ja sogar bei Glutenunverträglichkeit keine Probleme machen. Und obwohl es sich dabei um einen reinen Mythos handelt, ist die Renaissance des Dinkels dennoch vor allem eines: der Rückgewinn eines Stücks kulinarischer Kultur.
Die Renaissance des Dinkels
Einst war der Dinkel das meistangebaute Getreide in vielen Regionen Österreichs, der Schweiz und Süddeutschlands. Besonders im Mittelburgenland war der Dinkel weitaus populärer als der Weizen. Die einfachere Verarbeitung des Weizens und seine damit einhergehende schnellere Erforschung machten ihn allerdings bald zum Getreide Nummer Eins. Man erkannte früh sein Optimierungspotenzial und züchtete den Weizen auf immer größere Erträge und erhöhte Umweltresistenz; der Dinkel geriet zusehends in Vergessenheit.
Die Wende kam Ende der 1980er Jahre. Mit dem aufkeimenden und immer mehr um sich greifenden Interesse für Gesundheit und ganzheitliche Ernährungskonzepte kriegte der Dinkel, von dem nicht einmal mehr fünf Sorten angebaut wurden, in sprichwörtlich letzter Sekunde die Kurve.
Seither steigt seine Beliebtheit von Jahr zu Jahr. Umfangreiche Programme, wie die Eintragung vom „Mittelburgenland Dinkel“ als offiziell eingetragenes traditionelles Lebensmittel und die Aufnahme des Dinkel-Anbaugebiets Mittelburgenland in die Genuss Region Österreich, befeuerten diese Entwicklung. Auch heute erfreuen sich jährlich immer mehr Menschen am Dinkel. Zum Teil jedoch aus umstrittenen Gründen.
Dinkel ist glutenfrei? Weit gefehlt!
Manche Mythen halten sich hartnäckig. So auch derjenige, dass Dinkel weniger Gluten beinhalten würde als Weizen und selbst für Zöliakie-Patienten genießbar sei. Das ist schlichtweg falsch. Ganz im Gegenteil: Dinkel enthält sogar mehr Gluten als Weizen. Ebenso gibt es nach wie vor keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob Dinkel wirklich (für Nicht-Zöliakiekranke) verträglicher sei. Tatsächlich finden sich mehr und mehr Studien, die zum Beispiel durch Laboruntersuchungen und Blindverkostungen nahelegen, dass sich die Verträglichkeit von Dinkel und Weizen kaum bis gar nicht unterscheidet. Und doch ist Dinkel keineswegs ungesund. Er enthält große Mengen an Protein, Eisen, Magnesium, Selen und Zink, nur eben nicht signifikant mehr als es im Weizen der Fall ist. Grundsätzlich gilt: Nur wer Vollkorn isst, bekommt die ganzen Nährstoffe.
Dinkel ist nicht gleich Dinkel
Dinkel wird hierzulande oft unter dem Namen „Urkorn“ oder „Urgetreide“ vertrieben. Und tatsächlich ist der asiatische Dinkel, der einst im Raum um das Kaspische Meer erstmals von Menschen angebaut wurde, schätzungsweise sechs- bis achttausend Jahre alt und ein enger Verwandter vieler heute auch in unseren Gefilden verbreiteter Getreidesorten. Das Problem an der Sache: Der asiatische Dinkel hat verschwindend wenig mit dem Dinkel zu tun, der bei uns angebaut wird. Zwar gibt es keine gesicherten wissenschaftlichen Kenntnisse über dessen Entstehungsgeschichte, jedoch geht man weitläufig davon aus, dass es sich bei dieser Sortenfamilie um eine Erscheinung aus den letzten viertausend Jahren handelt. Einer Zeit also, in der Weizen, Roggen und Co. bereits kultiviert wurden. Man nimmt an, dass es sich beim europäischen Dinkel um eine wilde Kreuzung zweier Sorten aus der Weizenfamilie handelt.
Dinkel – das schwarze Schaf der Familie Weizen
Entgegen der landläufigen Meinung, dass es sich bei Dinkel um ein Getreide handle, das nur wenig mit dem oftmals kritisch betrachteten Weizen zu tun habe, sind die beiden eng verwandt. Die Ähnlichkeit der beiden Sortenfamilien ist selbst auf genetischer Ebene so groß, dass es schwer ist, sie überhaupt anhand ihres Aussehens zu unterscheiden. Doch der Unterschied ist spürbar: Nimmt man eine Weizenähre in die Hand, ist es sehr einfach, die einzelnen Körner aus ihren Hüllen zu befreien. Nicht so beim Dinkel.
Die vergleichsweise harten und rauen Ähren hüllen die einzelnen Körner zusätzlich noch einmal ein, in so genannte Spelzen. Diese dünnen, aber stabilen Hüllen müssen erst manuell entfernt werden, um an das Korn zu gelangen. Doch das hat auch Vorteile für Pflanze und Mensch.
Nur die Harten kommen auf den Acker
Durch die Einhüllung der einzelnen Körner in Spelzen zeigt sich der Dinkel äußerst unempfindlich gegenüber Umwelteinflüssen. Wo Weizen, Hafer und Gerste längst einem Gewitter oder Hagelschauer erliegen, hält der Dinkel sich noch wacker. Und das ist noch nicht alles. Im Gegensatz zu anderen Getreidesorten hält der Dinkel auch eher nährstoffarme Böden problemlos aus. Er braucht nicht viel, um hochwertige Körner bilden zu können, spart lieber an der Quantität als an der Qualität. Das erklärt seine Beliebtheit in vergangenen Zeiten.
Backen mit Dinkel – 4 Punkte, die es zu beachten gilt
- Teig aus Dinkelmehl benötigt viel Zeit. Es braucht eine lange Teigführung, um die optimale Aktivierung von stabilisierendem Klebeeiweiß und geschmeidig machendem Gliadin zu erreichen.
- Dinkelmehl nimmt weniger Wasser auf als andere Getreidesorten. Daher hält sich auch die Erzählung vom trockenen Dinkelkeks so hartnäckig. Es braucht größere Mengen an Flüssigkeit und mehr Bemühungen beim Kneten, um den Teig ausreichend feucht zu bekommen – aber es geht.
- Dinkelteig neigt zum Zerfließen. Durch das besondere Verhältnis von Gluten und Gliadin ist die Formfestigkeit beim Backen mit Dinkel oft ein Problem. Wer also ein Brot daraus herstellen möchte, greift am besten zur Kastenform.
- Sauerteig statt Hefe. Die im Sauerteig enthaltenen Enzyme wirken positiv auf die Inhaltsstoffe des Dinkels ein und erleichtern den Umgang mit dem Teig. Anders wäre das bei der Verwendung von Hefe als Backtriebmittel. Da Hefeteig viel Ruhe braucht, um sein Volumen zu vergrößern, erhöht sich hierbei das Risiko des Zerfließens merklich. Während der Teig geht, sollte er nämlich nicht bearbeitet werden – ein Problem bei der Verwendung von Dinkelmehl.