Barbara Holzer-Rappoldt von Enkeltaugliches Österreich im Gespräch

Innerhalb der Bewegung „Enkeltaugliches Österreich“ haben Bio-Bäuerinnen und Bauern immer das letzte Wort – und machen zusammen mit Wissenschaftler:innen, Vereinen und engagierten Unternehmer:innen Österreich klimafit.
von Lucas Palm
Enkeltaugliches Österreich
© Christian Fichtner

Nennen wir sie ruhig die positivste Bewegung Österreichs: Denn „Enkeltaugliches Österreich“ hat sich nicht etwa den erbitterten Kampf gegen die konventionelle Landwirtschaft auf die Fahnen geheftet, sondern die Freude an hemdsärmeliger Verantwortung, um Österreichs Landwirtschaft, Wälder, Landschaft und Wirtschaft zukunftsfit – oder eben enkeltauglich – zu machen. Und zwar mit allerhand Bio-Pionier:innen, Wissenschaftler:innen, Vereinen – und überhaupt allen, die sich mit Bio die Zukunft zurückholen wollen. Klingt kitschig? Ist es auch – und wie Vorstandsmitglied Barbara Holzer-Rappoldt im Interview verrät auch sehr, sehr erfolgreich.

Barbara, wie begann die Geschichte von Enkeltaugliches Österreich?

Barbara Holzer-Rappoldt: Die Ursprünge liegen im Jahr 2019 in einer gemeinschaftlichen Anstrengung der Sonnentor-Bauern und -Bäuerinnen. Diese wollten zusammen Maßnahmen gegen die Pestizidabdrift von konventionellen Feldern ergreifen. Dabei haben wir uns zum Ziel gesetzt, nicht gegen etwas zu sein, also nicht gegen die konventionell bewirtschafteten Felder zu kämpfen, sondern die Sache anders anzugehen – indem wir nämlich für positive Veränderungen eintreten. 

Das bedeutet?

Barbara Holzer-Rappoldt: Der einfache Schritt, den wir als Lösung sahen, war daher die Förderung der Bio-Landwirtschaft. Dieser Ansatz ermöglicht es uns nicht nur, die Umwelt besser zu schützen, sondern auch eine nachhaltigere Zukunft für kommende Generationen zu sichern. Und zwar ganzheitlich. Je mehr Bäuerinnen und Bauern ihre Felder biologisch bewirtschaften, desto weniger wird die Windabdrift ein Problem. 

© Christian Fichtner
Enkeltaugliches Österreich

Worin genau bestanden damals die gemeinsamen Anstrengungen, um das Thema der Pestizidabdrift anzugehen – und was wurde damit erreicht? 

Barbara Holzer-Rappoldt: Die Windabdrift von Pestiziden stellt eine erhebliche Herausforderung für Bio-Bäuerinnen und -Bauern dar. Chemikalien gelangen von konventionellen Anbauflächen auf die biologischen Felder und gefährden so die Reinheit der Bio-Produkte. Von wissenschaftlichen Studien belegt, können diese Pestizide durch den Wind Distanzen von bis zu 300 Kilometern zurücklegen! Zusammen mit renommierten Wissenschaftlern wie Hans-Peter Hutter und Johann Zaller konnten wir diese Problematik in einer Studie, die 2019 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, detailliert untersuchen. Bei Sonnentor beispielsweise haben wir strenge Kontrollmechanismen etabliert, die sicherstellen, dass belastete Waren nicht in den Verkauf gelangen. Dies schützt die Qualität der Produkte und bewahrt das Vertrauen der Konsumenten. Das ist ein Beispiel, das zeigt, wie viel wir mit unserer Energie, die wir für und nicht gegen etwas aufwenden, bewegen können – und auch andere damit inspirieren. 

Wie organisiert sich Enkeltaugliches Österreich finanziell?

Barbara Holzer-Rappoldt: Unsere Organisation stützt sich auf eine unabhängige Finanzierungsstruktur, die durch jährliche Mitgliedsbeiträge der Bio-Bauern und -Bäuerinnen und Bio-Pionier:innen ermöglicht wird. Diese Beiträge sind umsatzabhängig gestaltet, sodass sowohl kleinere als auch größere Produzenten sich einbringen können, ohne dass finanzielle Unterschiede Einfluss auf die Entscheidungskraft innerhalb der Organisation haben. Dieses Modell fördert ein egalitäres Zusammenwirken und ermöglicht uns, unabhängig von externen Finanzierungen zu arbeiten. Das stellt unsere Unabhängigkeit sicher und erweitert außerdem unsere Handlungsspielräume. Für einzelne Projekte gibt es außerdem Förderungen. 

© Christian Fichtner
Enkeltaugliches Österreich

Eine große Rolle spielt auch die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Wie kann man sich die Rolle von Wissenschaftler:innen bei euch vorstellen?

Barbara Holzer-Rappoldt: Die Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen ist ein zentraler Bestandteil unserer Strategie. Unsere Bemühungen werden von renommierten Forscher:innen unterstützt, die uns mit wertvollen Daten und Analysen versorgen. Wissenschaftler:innen wie Sigrid Stagl, Marianne Penker und Helga Kromp-Kolb leisten – und zwar ehrenamtlich! – einen wichtigen Beitrag zur Validierung unserer Projekte. Was uns besonders freut und inspiriert, ist das Engagement all dieser Wissenschaftler:innen, die wirklich etwas bewegen wollen. Es sind Partnerschaften, die uns ermöglichen, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen und unsere Projekte auf ein solides Fundament zu stellen. Und doch lautet bei uns der Grundsatz: Die Bauern habe immer das letzte Wort.  

Was heißt das konkret?

Barbara Holzer-Rappoldt: Es ist schon passiert, dass wir mit Wissenschaftler:innen Vorschläge und Richtlinien herausgearbeitet haben, die bei der Präsentation von den Bäuerinnen und Bauern lediglich ein Grinsen geerntet haben. Unsere Erfahrung ist ganz klar: Wenn der Bio-Bauer oder die -Bäuerin sagt, das wird nicht funktionieren, dann haben sie immer recht. Wirklich immer. Für uns ist das deswegen so wertvoll, weil unsere Währung die Umsetzbarkeit ist. Was auf dem Feld nicht umsetzbar ist, bringt nichts. 

Was macht für euch die Partnerschaft mit Gaumen Hoch so wichtig?

Barbara Holzer-Rappoldt: Die Partnerschaft zwischen Enkeltaugliches Österreich und Gaumen Hoch ist deshalb so cool und wichtig, weil wir gemeinsame Ziele verfolgen: echte Nachhaltigkeit, zertifizierte und geprüfte Bioregionalität und die Förderung einer enkeltauglichen Zukunft. In beiden Organisationen setzen wir uns für ökologische Verantwortung ein, ETÖ besonders in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, Gaumen Hoch besonders in der Gastronomie.  Durch unsere Zusammenarbeit können wir unsere Reichweiten und Wirkung verstärken. Enkeltaugliches Österreich bringt Expertise in nachhaltiger Landwirtschaft und Generationenverantwortung ein und tritt als die Interessensvertretung von Bioregionalität auf, während Gaumen Hoch durch ihre großartig ausgearbeitete Bewusstseinsbildung und Kampagnen die Konsument:innen und auch Unternehmer:innen sensibilisiert und nachhaltige Entscheidungen fördert. Unsere Partnerschaft ist ein Schritt in Richtung einer enkeltauglichen Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Gastronomie, Außerhausverpflegung und einer bewussteren Gesellschaft. 

Was sind momentan oder in absehbarer Zukunft die wichtigsten Projekte?

Barbara Holzer-Rappoldt: In der nahen Zukunft konzentrieren wir uns darauf, den Anteil an Bio-Produkten in der öffentlichen Beschaffung zu erhöhen. Unsere Projekte werden durch Forschungsergebnisse gestützt, die die ökonomischen Vorteile von Bio-Landwirtschaft aufzeigen sollen. Besonders arbeiten wir an einer umfassenden Untersuchung zu den versteckten Folgekosten konventioneller Landwirtschaft, um zu beweisen, dass Bio-Produktion letztendlich günstiger und nachhaltiger ist. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für unser Engagement. Wir wollen eine nachhaltige Landwirtschaft fördern, die sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich Vorteile bietet. Mit diesem Wissen und dieser Strategie können wir eine enkeltaugliche Zukunft schaffen, auf die wir alle stolz sein können.

Barbara Holzer/ Enkeltaugliches Österreich

Barbara Holzer-Rappoldt

Drei Dinge, die du immer in deinem Kühlschrank hast?
Demeter Hafermilch, Frischkräuter / Wildkräuter und Unmengen an Bio Gemüse.
Ein Gericht, das du immer noch nicht perfekt hinkriegst?
Daal (Es schmeckt noch immer nicht so ganz wie in Indien…)
Wovon könnest du nicht genug kriegen?
Gemüse in jeder Form.
Wo trifft man dich an, wenn du nicht in der Arbeit bist?
In meiner Permakultur, beim Laufen, Klettern, Schwimmen oder Radfahren. Wenn möglich draußen und am Land. Oder in meiner zweiten Heimat in Katalonien am Freitauchen oder Segeln.
Wie schaltest du ab?
Meditation, Yoga, Gartenarbeit, Sport oder richtig fein schlafen.

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