Wer zum ersten Mal von der Chinesischen Keule oder dem Schwertsalat hört, wird zurecht zusammenzucken. Aber keine Sorge: Was sich hinter diesen Begriffen verbirgt, ist kein Folterinstrument und auch kein Griff im Kampfsport. Es ist ein Gemüse – und ein hochspannendes noch dazu.
Spargelsalat ist nicht gleich Spargelsalat
Man nehme gut geschälte Spargelstangen, schneide sie in mundgerechte Stücke und gare diese in reichlich Wasser bissfest. Schließlich vermenge man sie mit ein wenig Essig, Öl, Salz und Pfeffer. Und fertig ist er: der Spargelsalat. Ja, so könnte es gehen, wenn das unser Thema wäre. Doch Spargelsalat ist nicht gleich Spargelsalat! In Wahrheit hat der eine nichts mit dem anderen zu tun. Aber worum geht es denn hier, wenn nicht um einen Salat aus Spargel? Es geht um ein Gemüse; ein Gemüse, das von weither kommt, viele Namen trägt und sein Dasein bis heute weitestgehend im Schatten fristet: eben um den Spargelsalat.
Celtuce, Wosun oder doch die Chinesische Keule?
Beim Spargelsalat handelt es sich um ein Gemüse aus der Familie der Wildsalate. Er ist eng mit dem uns bekannten Kopfsalat verwandt und ist in China und Taiwan ein fester Bestandteil der alltäglichen Küche. Dort kennt man ihn als Wosun oder A-Choy oder auch als AA-Choy. Im Englischen wird er Stem Lettuce (wörtl. ‚Strunk-Salat‘) oder Celtuce genannt. Letzteres ist ein Kofferwort aus den Wörtern für Sellerie und Salat und deutet auf die Aromatik des Gemüses hin. Im Deutschen findet man den Spargelsalat auch unter den Namen Chinesische Keule oder Schwertsalat, die sich beide auf die Form der Pflanze beziehen. Diese erinnert entfernt an eine Palme: ein langer, ungefähr unterarmdicker und grünlich-beigefarbener Strunk mündet oben in einen Strauß großer, knackig-grüner Blätter. Eine gewisse Ähnlichkeit zum Spargel hat sie auch, daher ihr gängigster Name.
HISTORIE
Vom Mittelmeer nach China und langsam auch zurück
Obwohl das gesunde Gemüse in der westlichen Welt heute weitestgehend unbekannt ist, trat es doch von hier aus seinen Siegeszug in den Osten Asiens an. Historiker:innen berichten von archäologischen Funden, die die Verwendung von Spargelsalat bis zurück ins Alte Ägypten belegen. Sowohl dort als auch in Byzanz und im Griechenland der Antike war das Gemüse wohlbekannt und wurde weitläufig eingesetzt. Zwischen 600-900 n. Chr., so vermuten manche Forscher:innen, sei das Gemüse dann über Handelsrouten vom Mittelmeer nach China gebracht worden. Während es in Europa in Vergessenheit geriet, begann dort ein regelrechter Boom, der den Spargelsalat bis heute fest auf den chinesischen Speiseplänen verankert hat. Und auch wenn sich diese Theorie nicht eindeutig belegen lässt und es auch Stimmen gibt, die von zwei eigenständigen Arten von Spargelsalat sprechen, die sich zufällig zur gleichen Zeit in Europa und Asien ausgebildet haben, stellt sich doch die Frage: Wenn das stangenartige Gemüse schon vor über tausend Jahren hier gewachsen ist, warum sollte es das nicht auch heute tun?
Ein echter Star im Gemüsebeet
Spätestens seit der amerikanische Saatgut-Großhändler Burpee im Jahr 1942 eine groß angelegte Kampagne für das Anpflanzen von Spargelsalat startete, begann im globalen Westen die Renaissance des Gemüses, das so sehr in Vergessenheit geraten war, dass Burpee es mit dem Slogan „A new vegetable“ bewarb. Und auch wenn diese Renaissance noch nicht so richtig ins Laufen gekommen ist, kann das eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein. Wer heute Spargelsalat in die YouTube-Suchmaske eingibt, erhält zwar noch überwiegend Rezepte für seinen Namensvetter. Der englische Begriff ‚Celtuce‘ hingegen ruft eine wahre Flut an Videobeiträgen hervor. Rezepte, Produkterklärungen und vor allem eines: Anbauhilfen. Man kauft Spargelsalat nicht einfach, man baut ihn selbst an, so zumindest der aktuelle Trend. Und so passiert es auch bei uns in Österreich.
Spargelsalat aus Großmugl
„Wir haben uns dem Anbau und der Bewahrung seltener Gemüsesorten verschrieben und möchten dazu beitragen, ihre große Vielfalt zu bewahren. Und eine davon ist der Spargelsalat.“
Einer, der sich dem Spargelsalat mit viel Verve und Liebe zuwendet, ist Robert Brodnjak von unserem Mitgliedsbetrieb Krautwerk in Großmugl bei Hollabrunn. „Wir haben uns dem Anbau und der Bewahrung seltener Gemüsesorten verschrieben und möchten dazu beitragen, ihre große Vielfalt zu bewahren“, sagt Brodnjak. „Und eine davon ist der Spargelsalat.“
„Man kann Spargelsalat nicht einfach im Großhandel kaufen, dafür ist er zu selten. Also muss man direkt auf uns Erzeuger zukommen.“
Seit ungefähr zehn Jahren wächst das rare Gemüse nun schon hier bei Familie Detz-Brodnjak im Weinviertel. „Ich weiß gar nicht mehr genau, wie wir damals auf den Spargelsalat aufmerksam geworden sind. Aber seither haben wir ihn dauerhaft im Programm. Gerade in der Spitzengastronomie ist er sehr beliebt, weil er ja doch noch etwas sehr Besonderes ist. Man kann Spargelsalat nicht einfach im Großhandel kaufen, dafür ist er zu selten. Also muss man direkt auf uns Erzeuger zukommen. Wir verkaufen ihn aber auch ganz normal an unserem Stand am Karmelitermarkt, dann meist an Kunden, die sich für die asiatische Küche interessieren.“
Rezeptideen von Marktgärtnerei Robert Brodnjak
„Ich mag Spargelsalat am liebsten sauer eingelegt. Dazu setze ich einen ganz herkömmlichen Essigsud an, wie man ihn auch zum Einmachen jedes anderen Gemüses verwendet, schneide den geschälten Spargelsalat in mundgerechte Stücke und wecke ihn in ein Glas ein. So schmeckt er hervorragend und hält sich länger. Alternativ kann man das Gemüse aber auch in Stücke schneiden, kurz in Wasser garen und dann mit einer Vinaigrette aus Zitronensaft, Öl und einigen Wildkräutern servieren.“
Vielseitig und gesund
Apropos asiatische Küche: Am beliebtesten ist der Spargelsalat in China, wenn er, kurz in ein wenig Sesamöl angeschwitzt, direkt aus dem Wok auf den Teller kommt und nur noch mit ein paar Sesamkörnern und grobem Meersalz bestreut serviert wird. Erst einmal bedarf es allerdings einiger kleinerer Vorarbeiten. Die oben am Strunk verbliebenen Blätter können zwar gut roh verzehrt werden, sollten aber besser ihren Weg in eine Salatmischung finden. Pur sind sie etwas zu bitter. Der Strunk muss anschließend großzügig geschält werden, sodass das harte und faserige Äußere das darin enthaltene weiche grüne Mark freigibt. Wenn an den Schnittstellen ein weißlicher Saft austritt, ist das lediglich ein Zeichen für Frische und in keiner Weise bedenklich.
Das Mark des Gemüses kann nun wie oben beschrieben zubereitet oder auch fein gehobelt roh verzehrt werden. So gehen auch keine der wertvollen Bestandteile der Pflanze verloren und der Körper kann sich an großen Mengen Vitamin A, C und B9 sowie Mangan, Eisen, Magnesium und einigen essenziellen Aminosäuren erfreuen. In dünnen Streifen gekocht ergibt der Spargelsalat übrigens auch eine hervorragende Alternative zu Pasta – kohlenhydratarm und ganz ohne Gluten.