Es gibt zwei Arten von Menschen: Jene, bei denen bei sommerlichen Temperaturen die Glücksgefühle nach oben schnellen, und jene, die sich nichts sehnlicher wünschen als etwas Abkühlung. Wäre der Steinpilz ein Mensch, gehörte er klar zur zweiten Gruppe. Er wächst nämlich erst dann so richtig, wenn nach einer längeren Wärmeperiode wieder kühlere Temperaturen erreicht werden. Kommt dann auch noch ausreichend Regen hinzu, gibt’s gar kein Halten mehr. Die Vorzeichen stehen also gut. Mit diesen sechs Tipps wird die Steinpilzsuche erleichtert:
1. Die Natur im Auge behalten
Wer bei der Schwammerlsuche Erfolg haben will, sollte vor allem eines sein: aufmerksam. Und das bezieht sich nicht nur auf die meteorologischen Gegebenheiten, sondern auch auf das Ökosystem Wald, dem die meisten Speisepilze entspringen. Die wenigsten Schwammerl stehen allein auf weiter Flur. Gerade der Steinpilz und seine Verwandten, die Röhrlinge, sind Pilze, die in Symbiose mit einigen Baumarten leben. Röhrlinge bevorzugen Bäume, die auf relativ nährstoffarmen Böden wachsen.
Erst dann kann sich die Symbiose, also die gegenseitige Nutzbeziehung, entfalten: Während die Pilze von den Bäumen mit bei der Photosynthese anfallendem Zucker versorgt werden, können die Pilze durch ihr weit verzweigtes, unterirdisches Myzel an tiefer gelegene Nährstoffe herankommen und diese den Bäumen zur Verfügung stellen. Diesen Umstand können sich auch Pilzsucher:innen zunutze machen: Wer unterwegs auf Pflanzen stößt, die gemeinhin auf nährstoffarmen Böden wachsen, könnte einen guten Spot für Steinpilz und Co. entdeckt haben. Solche Zeigerpflanzen sind beispielsweise Heidelbeer- und Preiselbeersträucher, aber auch andere Pilzarten wie der Fliegenpilz können auf einen guten Standort hinweisen. Ist der Ort hingegen von Brombeersträuchern, Giersch oder Brennnesseln überwuchert, ist die Wahrscheinlichkeit für einen umfangreichen Steinpilzfund eher gering.
2. Vielfalt wertschätzen
Wir alle lieben den Steinpilz. Mit seinem edlen, charakteristischen Aroma gehört er fraglos zu den beliebtesten Speisepilzen überhaupt. Laut einer vom Statista Research Department in Auftrag gegebenen Umfrage aus dem Jahr 2016 ist der Steinpilz mit knapp 74 Prozent der von den Österreicher:innen am liebsten gesammelte Pilz.
„Den einen Steinpilz gibt es nicht. Wenn man nur die Steinpilze nimmt, die zu der Gattung Boletus gehören, gibt es vier Arten.“
Was die wenigsten wissen: „Den einen“ Steinpilz gibt es nämlich gar nicht. „Wenn man nur die Steinpilze nimmt, die zu der Gattung Boletus gehören, gibt es vier Arten“, erklärt Norman Glatzer, Schriftsteller und Outdoor-YouTuber im Gespräch mit Gaumen Hoch. „Da ist erst einmal natürlich der Bekannteste von ihnen: der gemeine Steinpilz, auch Fichtensteinpilz genannt. Er wächst bevorzugt in den Herbstmonaten, lässt sich zum Teil aber auch schon ab Juli finden. In den wärmeren Monaten stößt man allerdings häufiger auf den Sommersteinpilz, der manchmal schon ab Ende Mai wächst. Erkennbar ist er durch seinen vergleichsweise matt gefärbten Hut, der beim Fichtensteinpilz eher speckig glänzt. Außerdem gibt es noch die beiden selteneren Arten Kiefernsteinpilz und Bronzeröhrling.“
Aufgrund ihrer Vorliebe für mediterranes Klima sind die letzten beiden bei uns nicht so stark verbreitet, der Bronzeröhrling steht in Deutschland sogar unter strengem Naturschutz. „Aber“, ergänzt Vanessa Braun, die den fast 190.000 Abonnent:innen zählenden Kanal Buschfunkistan gemeinsam mit Glatzer betreibt, „zu den Röhrlingen, also Pilzen mit Schwamm unter dem Hut, gehören außer den Steinpilzen auch noch sehr viele weitere essbare Arten: die Hexenröhrlinge zum Beispiel, die Rotkappen oder auch die Butterpilze. Sie wachsen besonders auf sandigen Böden in großer Zahl.“ Da es überdies nur wenige giftige Röhrlinge gibt, lassen sich die ungenießbaren Arten gut einprägen. Dazu später mehr.
„Der kulinarische Hauptunterschied besteht darin, ob man die Pilze frisch oder getrocknet verwendet.“
Aus kulinarischer Perspektive ist es übrigens gar nicht sonderlich entscheidend, ob man nun auf gemeine Steinpilze, Sommersteinpilze oder eine der selteneren Arten gestoßen ist: sie schmecken allesamt sehr ähnlich. „Der kulinarische Hauptunterschied“, sagt Braun, „besteht eher darin, ob man die Pilze frisch oder getrocknet verwendet. Das entscheidet maßgeblich über ihre Konsistenz und ihren Geschmack. Frisch zubereitet haben sie eine festere Textur und sind milder im Geschmack, fast schon blumig. Wenn man sie vorher trocknet, ist die Umaminote viel stärker ausgeprägt. Das ist bei Pilzen auch nicht anders als bei anderen Lebensmitteln: Trocknen intensiviert den Geschmack.“
3. Nicht zu tiefe Vorstöße wagen
Wer sich doch voll und ganz der Steinpilzsuche verschreiben möchte, braucht keine Angst vor aufreibenden Wanderungen durch verwachsenes Urwalddickicht zu haben. Normalerweise fühlen sich Steinpilze nämlich genau dort wohl, wo eben nicht allzu viel Schatten hinfällt. Waldlichtungen oder – und das kann Fluch und Segen zugleich sein – der direkt vor einem liegende Wegesrand sind oftmals die ertragreicheren Stellen. Das Problem dabei: Den Weg benutzen alle Waldbesucher:innen zusammen, dementsprechend schnell ist ein reichhaltiges Steinpilzaufkommen auch schon wieder abgepflückt.
„Es kommt bei Pilzen immer auf den Bodentyp an. Sommersteinpilze mögen z.B. lieber basische Böden, Fichtensteinpilze bevorzugen saure Böden.“
Wer sich einen Vorteil verschaffen will, sollte früh aufstehen und sich nicht blindlings auf die Suche begeben. „Es kommt bei Pilzen immer auf den Bodentyp an“, sagt Glatzer. „Sommersteinpilze mögen z.B. lieber basische Böden, Fichtensteinpilze bevorzugen saure Böden.“ Wer sich also vor der großen Schwammerlsuche einmal mit der örtlichen Bodenbeschaffenheit vertraut macht – kleine Messgeräte für den pH-Wert des Bodens gibt es schon für unter 10 Euro – hat auf jeden Fall die Effizienz auf seiner Seite. Wie das mit der Romantik aussieht, muss jede:r für sich entscheiden.
4. Qualität geht vor Quantität
„Je größer die Pilze sind, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass sie schon madig oder faulig geworden sind. Wir gucken uns solche großen Pilze daher schon gar nicht mehr an.“
„Pilzesammeln ist kein Sport“, sagt Norman Glatzer. „Viele machen allerdings einen Wettbewerb daraus, wer die meisten und größten Pilze sammeln kann. Das ist jedoch für alle Seiten von Nachteil. Im Gegensatz zu Obst, das irgendwann einmal reif wird, wachsen Steinpilze in idealer Umgebung einfach so lange weiter, bis ihnen etwas dazwischenkommt. Die Qualität der Pilze steigt aber nicht exponentiell mit ihrer Größe.“ „Das Gegenteil ist der Fall“, ergänzt Braun. „Steinpilze werden sowieso sehr schnell madig, was sie anfällig für Bakterien, Sporen und Keime aller Art macht. Je größer die Pilze sind, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass sie schon madig oder faulig geworden sind. Wir gucken uns solche großen Pilze daher schon gar nicht mehr an. Wer also meint, nur die ganz großen Pilze sammeln zu müssen, riskiert schnell eine Lebensmittelvergiftung.“ An den Schwammerl und ihrem gesamten Ökosystem geht das ‚Sportsammeln‘ übrigens auch nicht spurlos vorbei. Denn wenn alle Pilze abgesammelt sind, gibt es an ihnen auch keine Sporen mehr, die zu ihrer Vermehrung beitragen könnten. Daher sollte immer nur für den Eigenbedarf gesammelt und stets eine ausreichende Menge an Schwammerl im Wald stehengelassen werden. Davon profitieren schließlich auch wieder wir Sammler:innen. Denn wo nichts wächst, kann auch nichts gefunden werden.
5. Das Farbenspiel beachten
Junge Steinpilze, also diejenigen, die besonders zart und schmackhaft sind, lassen sich nicht nur an ihrer vergleichsweise geringen Größe erkennen; entscheidend ist auch die Farbgebung des Schwammerls. Junge Steinpilze haben einen weiß bis hellbraun gefärbten Hut und einen weißen Schwamm. Je älter sie werden, desto dunkler färben sich diese Teile. Während sich die Farbe des Hutes mit der Zeit immer mehr in Richtung Kastanienbraun verschiebt, wird der Schwamm zunächst gelblich und schließlich olivgrün.
„Steinpilze haben ein weißes Stielnetz. Das kann man besonders gut an der Stelle erkennen, wo Stiel und Hut aufeinandertreffen.“
Anhand ihrer Farbgebung lassen sich die Steinpilze übrigens auch gut vom Gallenröhrling unterscheiden. – „Der klassische Verwechslungspilz“, weiß Vanessa Braun. „Steinpilze haben ein weißes Stielnetz. Das kann man besonders gut an der Stelle erkennen, wo Stiel und Hut aufeinandertreffen. Der Gallenröhrling hingegen hat ein schwarzes Stielnetz. Außerdem färbt sich sein Schwamm im Alter eher rosa.“ Tödlich giftige Röhrlinge gibt es zwar nicht, unangenehm wäre eine Verwechslung allerdings in jedem Fall. Daher sollten die Augen unbedingt offengehalten werden. Und noch ein Tipp für die Gesundheit des Magen-Darm-Traktes: Niemals Schwammerl sammeln, nachdem es bereits erste Bodenfröste gab. „Die sehen dann vielleicht noch gut aus, aber es werden mit dem Frost direkt Verwesungsprozesse in Gang gesetzt und das kann schnell gesundheitsgefährdend sein.“
6. Den Fund gehörig feiern
Wer es geschafft hat, eine gute Stelle für jedwede Art von Steinpilz zu finden, sollte das Gesammelte gut in einem luftdurchlässigen Korb verstauen. Die Schwammerl faulen sonst sehr schnell und können so unterwegs sogar noch einige ihrer Sporen verbreiten. Zu Hause müssen die Pilze dann nur noch mit einem sauberen Pinsel gereinigt werden und schon kann die Beute nach Herzenslust genossen werden. Frische Wildpilze sind selbst in unserer globalisierten Welt immer noch etwas Besonderes. Was die Zubereitung der Schwammerl angeht, sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. „Frisch braten wir sie gern, in dünne Scheiben geschnitten, zusammen mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und Rosmarin in etwas Olivenöl an“, schwelgt Vanessa Braun. „Dazu gibt es dann Pasta und ein paar geröstete Pinienkerne. Wenn wir die Pilze vorher getrocknet haben, benutzen wir sie am liebsten für deftige Schmorgerichte, so kann ihre ausgeprägte Umaminote voll zur Geltung kommen.“
Als Basis oder Einlage einer wärmenden Suppe sind sie ebenso geeignet wie als Topping für einen knackigen Salat. Roh essen kann man sie theoretisch auch, man sollte sich allerdings der Risiken gewahr sein, die in einem vom Waldboden aufgelesenen Schwammerl stecken könnten. Wer seine Pilze einmal gründlich erhitzt, kann diese Risiken massiv senken.
Gleich wie man sie auch verwenden mag, eines ist klar: Steinpilze sind ein Genuss – wenn man weiß, worauf man bei ihrer Suche achten muss.