Große Supermarktketten stehen seit Jahren in der Kritik. Ihre enorme Marktmacht führt zu Abhängigkeiten und enormem Preisdruck. Erst kürzlich sah sich Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) gezwungen, die Monopolstellung der Supermärkte zu thematisieren: Demnach seien die drei größten Handelsketten für rund 90 Prozent des Lebensmittelmarkts verantwortlich. Eine Vormachtstellung, mit gravierenden Auswirkungen für die Produzentinnen und Produzenten: „Harte Preisverhandlungen, drohende Auslistungen und einseitige Vertragsveränderungen“, nannte der Minister. 2022 richtete das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) ein Fairnessbüro ein, an das sich betroffene Produzentinnen und Produzenten wenden können. Im Tätigkeitsbericht für 2024 spricht die Behörde von in Summe über 800 unmittelbaren und mittelbaren Beschwerden.
Doch nicht nur die Politik hat einen Hebel, wenn es um mehr Fairness im Handel mit Lebensmitteln geht. Auch die Konsument:innen können etwas tun. Beispielsweise auf Alternativen zurückgreifen. Welche das sind? Eine Sammlung an Ideen.
Alternative „FoodCoop“
Eine FoodCoop (kurz für Food Cooperative) ist eine Gemeinschaft, in der sich Menschen zusammenschließen, um Lebensmittel direkt von regionalen Erzeuger:innen oder Großhändler:innen zu beziehen. Die erste Kooperative dieser Art gab es in Wien bereits 2007, inzwischen sind es in ganz Österreich über 110. Auf der Website der österreichischen „FoodCoops Interessengemeinschaft“ heißt es: „FoodCoops sind nicht gewinnorientierte, selbstverwaltete Gemeinschaften, die eine Infrastruktur zur Besorgung und Verteilung von fairen und nachhaltigen Produkten (hauptsächlich Lebensmittel) bieten. Alle Mitglieder einer FoodCoop müssen das Recht zur Mitbestimmung haben.“ Diese bietet zum einen einen Überblick über die bisher bestehenden FoodCoops und unterstützt auf der anderen Seite auch auf dem Weg zur Gründung einer eigenen. Die Vorteile einer solchen Kooperative liegen dabei auf der Hand: regionale und saisonale Produkte, Unterstützung der heimischen, nachhaltigen Landwirtschaft, Transparenz in puncto Herkunft der Produkte, günstigere Preise dank größerer Abnahmemengen und nicht zuletzt die Vermeidung von großen Mengen des Verpackungsmülls.
Alternative „Gemüsekisterl“
Noch keine FoodCoop in der Nähe und niemand mag sich an der Gründung einer eigenen beteiligen? Kein Problem. Wie wäre es mit dem Konzept der Gemüsekisterl? Dabei handelt es sich um eine Kiste mit frischem, saisonalem Obst und Gemüse, das man sich auch oft nach eigenen Vorlieben und Essgewohnheiten individuell zusammenstellen kann. Direkt von den Produzentinnen und Produzenten in regelmäßigen Abständen nach Haus geliefert oder zur Abholung bereitgestellt. Das Adamah Bio-Kistl gibt es beispielsweise in vielen lustigen Varianten, wie „Stream & Chill” für deinen perfekten Serienabend oder das „Saftkur-Kistl”.
Die Vorteile sind ähnlich: die Frische und Qualität der Produkte, das Wissen, wo die Lebensmittel gewachsen sind und weniger Verpackungsmüll. Außerdem fördert die saisonale Variabilität der Produkte die eigene Kreativität und bringt Abwechslung in den Speiseplan. Die drei Gründer von Leithalandgemüse Andreas Graf, Alfred Reder und Michael Konstanzer sehen das ähnlich. „Der große Vorteil für uns ist die Planungssicherheit. Diese Planungssicherheit führt auf der anderen Seite zu Versorgungssicherheit für die Kund:innen. Es profitieren klar beide Seiten: kurze Transportwege, die Frische und Qualität der Produkte, sowie der persönliche Kontakt.“ Ihr Abo-Modell des „Ernteanteils“ können Konsument:innen 24 Mal jährlich bis wöchentlich ordern.
Alternative „DIY“
Wie wäre es denn mit Selbstversorgung? Vielleicht nicht zu 100 Prozent, aber zumindest zu einem Teil. Das geht. Auch ohne eigenen Garten. Sogar ohne eigenen Balkon, wenn es sein muss. Das zumindest sagt Sophie Buchmayer, die mit ihrem „Projekt Stattgarten“ Menschen ohne eigenen Garten anleiten möchte, ihre eigenen Lebensmittel anzubauen.
Die Idee kam der ausgebildeten Gartenbau-Absolventin, als sie nach Wien kam: „Die noch sonnenwarmen Paradeiser waren eines der ersten Dinge, die mir gefehlt haben.“ Also begann die gebürtige Niederösterreicherin auf dem eigenen Fensterbrett mit dem Anbau: „Dabei habe ich schnell gemerkt: Gemüse wächst fast überall – wenn man nur weiß, wie.“ In ihren Workshops möchte sie den Wiener:innen nun weitergeben, wie es eben geht. „Man lernt, welches Gemüse zum eigenen Standort passt – und wie man den Platz, den man hat, bestmöglich nutzt. Besonders wichtig ist mir, dass es nicht nur bei der Theorie bleibt: Aussaat, richtiges Pflanzen und Pflegen lernt man am besten mit den Händen in der Erde in unserem Ateliergarten“, erklärt Sophie.
Die Vorteile des eigenen Anbaus liegen dabei auf der Hand: „Frischer geht’s nicht und der Geschmack ist einfach ein anderer. Außerdem steht eine viel größere Auswahl an Sorten zur Verfügung. Gelbe Fleischtomaten, runde Karotten oder Melothrias – das sind ovale Minigurken – findet man im Supermarkt eher selten. Wer selbst anbaut, entwickelt auch eine ganz neue Wertschätzung für Lebensmittel und Natur wird nochmals anders erlebbar.“ Für motivierte Einsteiger:innen hat Sophie auch direkt noch einen Tipp, was sich besonders gut eignet, und was eher nicht: „Radieschen, Pflück- oder Asiasalate sind super für den Einstieg. Sie wachsen schnell, lassen sich nach wenigen Wochen ernten und kommen mit verschiedensten Standorten klar. Das Stadtklima setzt dem Gemüseanbau auch Grenzen, abraten würde ich daher von Kraut und Knollensellerie.“
Alternative „Ab Hof“
Wer Produzentinnen und Produzenten unterstützen will, die nicht auf einem Markt vertreten sind, kann deren Produkte oft auch direkt vor Ort, also ab Hof kaufen. Viele haben eigene Hofläden, die teilweise sogar rund um die Uhr geöffnet sind. So zum Beispiel bei Resinger Biologisch in Zisserdorf. Josef Resinger schätzt zwar vor allem den persönlichen Austausch mit seinen Kund:innen, wenn er aber nicht gerade vor Ort ist, bleibt der Laden dennoch geöffnet: „Unser Hofladen ist 24 Stunden geöffnet. Unsere KundInnen können bar oder mittels Karte bezahlen. Gerade die Kartenzahlung wird seit den Corona-Jahren sehr gut angenommen.“ Dort finden die Kundinnen und Kunden ein breites Sortiment eigener und weiterer regionaler Produkte wieder: Eier, Erdäpfel, Gemüse, Öle, Nudeln, Honig, Linsen, Kresse, Gewürze und Feinkosterzeugnisse. Seit vergangenem Jahr steht auch das Eis einer regionalen Konditorin zur Auswahl und je nach Saison werden beispielsweise Spargel, Melonen, Süßkartoffeln, Weintrauben und vieles mehr angeboten. Einen großen Vorteil, den er in der Direktvermarktung außerdem sieht: „Mit einem Einkauf im Hofladen hat der Kunde die Möglichkeit, die Produktionsweise seiner Wahl direkt zu unterstützen, denn nur was gekauft wird, wird auch produziert.“
Alternative „Markt“
Eine weitere Option ist der Gang auf den Markt. Allein in Wien gibt es 27 davon. Brunnen, Karmeliter-, Meisel-, Naschmarkt und wie sie alle heißen. Die meisten davon, nennen sich Detailmärkte und sind von Montag bis Samstag geöffnet. Einige sind Wochenmärkte. Ganz egal wo, gemein haben sie das reichhaltige Angebot an frischem Obst, Gemüse, Fleischwaren, Fisch und so weiter. Einen klaren Favoriten unter den Märkten hat Paul Reiner von Reiners Erdbeeren und Gemüse: „Der Meidlinger Markt ist mit Sicherheit der familiärste der Wiener Märkte und hat einen ganz eigenen Charme. Als wir vor drei Jahren dort anfingen, haben uns Marktstandler:innen und Kund:innen so offenherzig empfangen, dass wir uns nicht vorstellen können, dort jemals wieder wegzugehen. Wer also einen Markt abseits des großen Trubels und mit einer tollen Auswahl an Standln sucht, ist dort genau richtig!“
Viele der Gaumen Hoch-Mitgliedsbetriebe betreiben einen eigenen Hofladen, sind regelmäßig auf Märten vertreten oder bieten Gemüsekisten an. Eine Liste aller Mitgliedsbetriebe findet ihr hier.