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Wie entsteht Geschmack?

Aus dem Zusammenspiel von Rezeptoren und Hirn – mehr weiß die Wissenschaft nicht. Muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
von Tobias Fels
Gesundes Essen
© Canva

Mit dem Geschmack ist es so eine Sache. Jeder hat ihn, die meisten glauben, sie hätten einen guten. Wobei – was bedeutet das eigentlich? Selbst wenn wir uns, wie hier, auf Essen und Trinken beschränken und Domänen wie Mode, Kunst, Design ausklammern – so simpel, wie Oscar Wilde es einst in seinem famosen Zitat beschrieb, ist die Angelegenheit leider nicht: „Ich habe einen ganz einfachen Geschmack – ich bin stets mit dem Besten zufrieden.“

Hühnerfüße polarisieren

Wieso schmecken uns sonst Kartoffelchips für 99 Cent pro Packung, mit Kohlensäure versetztes Zuckerwasser aus der Dose oder gelatineartige Bärchen mit künstlichen Aromen – vorsichtig gesagt, nicht die hochwertigsten Lebensmittel? Warum geben Erwachsene ihr hart verdientes Geld für reine Gemüsemenüs in der Sterneküche aus, während Kinder mit maximalen Einsätzen bestochen werden müssen, um ein zartes Karfiolröschen oder gar Brokkoli zu essen? Und wieso schüttelt es manche, wenn Hühnerfüße oder ein Käse mit Maden auf dem Tisch stehen, andere aber jauchzen vor Freude?

Bild: Canva
Gedämpfte Hühnerfüße

5 oder 6 Geschmacksrichtungen?

Die Welt des Geschmacks ist geprägt von Widersprüchen und Ungereimtheiten. Fest steht, dass Geschmack die sensorische Wahrnehmung ist, die entsteht, wenn Substanzen mit den Geschmacksknospen auf unserer Zunge interagieren. Diese Knospen können fünf Grundgeschmäcker erkennen: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Der Begriff Umami, aus dem Japanischen stammend, bezeichnet einen herzhaften oder fleischigen Geschmack. Eventuell gehört auch fettig dazu, aber darüber streitet die Forschung momentan noch.

Schmeckt’s etwa wegen dem Glas?

Doch Geschmack beschränkt sich nicht nur auf diese fünf oder sechs Kategorien. Die Wahrnehmung eines Geschmacks wird auch stark durch weitere Parameter beeinflusst: Neben Aromen spielen auch Textur und Konsistenz eine große Rolle. Und als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, kommen noch weitere Faktoren hinzu: Mit mehr Appetit schmeckt Essen besser, wie jeder weiß, der sich nach einem Tag voll mit Gartenarbeit oder als verschwitzter Umzugshelfer auf eine Mahlzeit freut.

@ Canva
Weintrinker im Freien

Besteck und Geschirr können die Wahrnehmung des Geschmacks beeinflussen, je nachdem, wie Form, Farbe und Material beschaffen sind. „Das Auge isst mit“, wusste schon der Volksmund. Hersteller:innen von Weingläsern haben ein Geschäftsmodell daraus gemacht, unterschiedliche Gläser für unterschiedliche Weine zu gestalten – manchen Kritiker:innen zufolge ist sogar etwas daran.

Geschmack – ein subjektives Konzept

Was wir als „wohlschmeckend“ empfinden, ist ein subjektives Konzept, das sich sowohl im kulinarischen als auch im ästhetischen Kontext findet. Mit Blick auf die Hochküche schrieb die Kritikerlegende Wolfram Siebeck einmal: „Dort, wo so gekocht wird, wie man in Salzburg musiziert, dort sind Kriterien jenseits der Süß-Sauer-Wahrnehmung oft wichtiger als diese. Im Extremfall – und der ist in der feinen Gastronomie nicht selten – interessiert den Koch und die Köchin nur die Ästhetik des Gekochten.“

„Im Extremfall – und der ist in der feinen Gastronomie nicht selten – interessiert den Koch und die Köchin nur die Ästhetik des Gekochten.“
Kritikerlegende Wolfram Siebeck

Ob das heute immer noch so ist, darüber mag man streiten – einerseits begünstigen soziale Medien wie Instagram effektvolles Kochen und Anrichten, andererseits können sich kaum Spitzenköche und Spitzenköchinnen halten, die nur fürs Auge kochen. Mit Sicherheit spielt die Balance eine Rolle – überwürzt, also zu salzig oder zu süß, schmeckt uns genauso wenig wie zu wenig Würze. Was für die eine Person ansprechend ist, kann für eine andere uninteressant oder sogar unangenehm sein. Diese Subjektivität spiegelt die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und kultureller Hintergründe wider.

© Fauxels | Pexels
Gemeinsam essen

Wiederholung prägt den Geschmack

Geschmack entwickelt sich über die Lebensspanne hinweg und wird durch eine Kombination aus genetischen, persönlichen und kulturellen Faktoren beeinflusst. Kinder bevorzugen oft süße und salzige Geschmäcke und meiden bittere Aromen. Mit der Zeit ändert sich der Geschmack jedoch, geformt durch die Küche der Heimat, die Essgewohnheiten der Familie und individuelle Erfahrungen.

Gemäß einer französischen Studie müssen Kinder ein unbekanntes Lebensmittel bis zu elfmal probieren, bis es ihnen schmeckt.

Die Wissenschaft steht noch am Anfang der Entschlüsselung. Zweifellos spielen Zunge und ihre Rezeptoren eine Rolle, genauso unsere Nasenhöhle, wo Geruchsrezeptoren sitzen. Doch offenbar beeinflussen selbst bestimmte Genvarianten, wie uns etwas schmeckt.

Abschließend sei zusammengefasst: Die Subjektivität des Geschmacks ist eines seiner faszinierendsten Merkmale. Genetische Prädispositionen beeinflussen die Geschmackswahrnehmung, ebenso wie kulturelle Prägungen. So entstehen individuelle Vorlieben und Abneigungen, die das Essverhalten prägen. Und auch wenn die wissenschaftliche Bestätigung noch aussteht, so lässt sich wohl jetzt schon sagen: Auf der ganzen Welt gibt es nicht zwei Menschen, die den identischen Geschmack haben.

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