Laut einer aktuellen Umfrage von BIO AUSTRIA kennen 51 % der Österreicher:innen – also etwa jede:r zweite – das Demeter-Siegel, bei Bio-affinen Zielgruppen liegt der Wert noch deutlich höher. Greenpeace stuft Demeter in seinem aktuellen Gütezeichen-Guide als „sehr vertrauenswürdig“ ein und hebt besonders die strengen Standards und die jährlichen Kontrollen hervor, die weit über die EU-Bio-Verordnung hinausgehen.
„Mit unserer Art zu wirtschaften, wollen wir einen Teil dazu beitragen, dass die Erde gesundet und genest, damit sie für viele Generationen fruchtbar bleibt.“

Demeter genießt demnach hohes Vertrauen, dass dahinter mehr steckt als nur „Bio“ – auch wenn viele nicht genau wissen, wofür der Anbauverband steht, für den über 260 Landwirte und rund 40 Verarbeiter:innen nach den strengen Vorgaben der biodynamischen Landwirtschaft wirtschaften. Im Podcast spricht Host Alexandra Seyer-Gmeinbauer mit Demeter-Vorstandsmitglied und -Bäuerin Martina Fink und Obmann Andreas Höritzauer – beide Quereinsteiger:innen, die betonen, wie sehr sich der Blick auf Landwirtschaft verändert, wenn man bereit ist, nicht nur Fakten, sondern auch Erfahrungen und Intuition gelten zu lassen. Was an manchen Stellen wie Esoterik anmutet, entpuppt sich als ernst gemeinter Versuch, die Natur in ihrer Komplexität zu verstehen und zu pflegen. Doch Demeter bleibt nicht frei von Widersprüchen: Zwischen wissenschaftlicher Forschung und Erfahrungswissen, zwischen Pragmatismus und Spiritualität, zwischen Pioniergeist und Kritik an Rudolf Steiners Weltanschauung.
Was Demeter-Produkte ausmacht
Wer ein Demeter-Produkt in der Hand hat, kann also darauf vertrauen, dass bei der Produktion strengere Auflagen als bei klassischen Bio-Höfen erfüllt werden: Die Betriebe verzichten auf Hybridzucht, setzen auf samenfestes Saatgut und lehnen zahlreiche Zusatzstoffe ab. Ob das zu messbar besseren Lebensmitteln führt, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Doch viele Konsument:innen berichten von einem besonderen Geschmack und einem „guten Gefühl“ beim Verzehr. Bei Demeter, erklärt Andreas Höritzauer, geht es um das „Dahinterschauen”: „Nicht darauf zu achten, wie die Dinge schmecken, sondern wie sie auf eine:n wirken.“
„Oft schmecken Lebensmittel zunächst gut. Aber wenn man in sich hineinhört, dann hinterlassen sie eigentlich kein gutes Gefühl. Man bekommt nicht genug davon. Man isst immer mehr, wird aber nicht satt. Wenn ein Lebensmittel wirklich Lebendigkeit in sich trägt, dann brauche ich viel weniger davon. Dann macht es etwas völlig anderes mit mir. Ich werde erstens wirklich satt und zweitens richtet es mich auf.“
Der Hof als Organismus: mehr als Produktionsstätte
Stichwort lebendig: Im Zentrum der Demeter-Philosophie steht der sogenannte Hoforganismus. Der landwirtschaftliche Betrieb wird dabei als lebendiger Organismus gesehen, in dem Boden, Pflanzen, Tiere und Menschen in einem möglichst geschlossenen Kreislauf zusammenwirken. Ziel ist es, alle notwendigen Ressourcen – wie Futter, Dünger und Saatgut – auf dem eigenen Hof zu erzeugen und so die natürlichen Kreisläufe zu stärken. Mist und Kompost aus der eigenen Tierhaltung werden gezielt zur Düngung eingesetzt, was die organische Substanz im Boden fördert und die Bodenfruchtbarkeit langfristig erhält.
„Die konventionelle Landwirtschaft möchte den Boden nutzen, die biologische möchte ihn erhalten – und die biodynamische möchte ihn entwickeln.“
Wissenschaftliche Studien und Langzeitversuche wie der DOK-Versuch zeigen, dass biodynamisch bewirtschaftete Böden im Vergleich zu konventionellen und sogar anderen ökologischen Systemen oft höhere Humusgehalte, eine bessere Bodenstruktur, mehr mikrobielle Aktivität und eine größere biologische Vielfalt aufweisen.
Über die DOK-Langzeitversuche
Die DOK-Versuche werden seit 1978 vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und Agroscope in der Schweiz durchgeführt. Das Ergebnis: Sowohl die biodynamische (BIODYN) als auch die bio-organische (BIOORG) Bewirtschaftungkönnen den Humusgehalt (SOC) im Boden langfristig stabil halten oder sogar leicht erhöhen, sofern ausreichend organische Substanz (v.a. Stallmist/Kompost) zugeführt wird. Im Vergleich dazu verlieren konventionelle Systeme (CONFYM, CONMIN) an Humus, insbesondere bei mineralischer Düngung ohne organische Zufuhr. Link
Demeter-Bäuerin Martina Fink beschreibt im Podcast, wie sie den Unterschied zwischen einem lebendigen, gut gepflegten Boden und einem verhärteten, ausgelaugten Boden selbst spürbar erlebt hat: „Das unter den eigenen Füßen zu spüren, wie sich ein lebendiger Boden anfühlen kann, und wie sich einer anfühlt, der eigentlich sehr verhärtet ist, das war für mich ein Schlüsselmoment.“
Die Sache mit den Präparaten: Zwischen Praxis und Mystik
Dass der Boden bei Demeter als lebendiger Organismus betrachtet wird, ist kein Selbstzweck – vielmehr stellt sich die Frage, wie diese Lebendigkeit gezielt gefördert werden kann. Genau hier kommen die berühmten biodynamischen Präparate ins Spiel: Hornmist, Hornkiesel, Kompost aus Heilpflanzen – nach festen Regeln verarbeitet, verdünnt und am Feld ausgebracht gelten sie als Herzstück der Demeter-Praxis und sollen – ergänzend zu Kompost und Mist – die Bodenaktivität stärken und das Hofsystem widerstandsfähiger machen. Für viele Außenstehende klingt das zunächst mystisch, für Demeter-Bäuer:innen wie Martina Fink ist es gelebter Alltag – und ein zentrales Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Bio-Labels. Die wissenschaftliche Evidenz ist begrenzt, doch Erfahrungswissen und Praxisbeobachtungen spielen für die Demeter-Gemeinschaft eine zentrale Rolle.
„Wir zerstören den Kristall und malen ihn so fein wie Mehl. Verrühren das dann mit Wasser und füllen es dann in ein leeres Kuhhorn, ein und vergraben es für ein halbes Jahr.“
Hier zeigt sich auch die Gratwanderung zwischen Tradition und Esoterik – ein Punkt, der Demeter immer wieder Kritik einbringt. Die Offenheit für das Unmessbare ist Teil des Systems, aber auch Anlass für Skepsis.
Tierwohl und Würde: Hörner als Prinzip
Apropops Kuhorn: Zentrales Merkmal der Demeter-Tierhaltung ist der konsequente Verzicht auf das Enthornen von Rindern. Martina Fink erklärt: „Wir stellen uns die Frage: Was braucht das Tier, um seinem Wesen gerecht zu werden?“ Bei Demeter dürfen Kühe aus diesem Grund ihre Hörner behalten.
„Wir stellen uns die Frage: Was braucht das Tier, um seinem Wesen gerecht zu werden?”
In der konventionellen Landwirtschaft werden Hornansätze oft entfernt, um Verletzungen und Platzprobleme im Stall zu vermeiden. Fink sieht darin einen Eingriff, der das Wesen der Tiere verändert: „Wenn man die Kälber vor dieser Behandlung und danach sieht, merkt man, dass das etwas mit ihnen macht.“ Für Demeter ist das Horn Symbol und Werkzeug zugleich – es dient der Kommunikation innerhalb der Herde und steht für die Würde des Tieres. Letztlich bedeutet Tierwohl bei Demeter, die natürlichen Bedürfnisse und Eigenheiten der Tiere zu respektieren – auch wenn das mehr Aufwand und größere Stallflächen erfordert.
Rudolf Steiner: Die umstrittene Wurzel
Die geistige Grundlage von Demeter ist die Anthroposophie Rudolf Steiners, der 1924 den „Landwirtschaftlichen Kurs“ hielt und damit die biodynamische Bewegung begründete. Steiner verstand Landwirtschaft als spirituell eingebettete Praxis, in der der Mensch Teil eines größeren Ganzen ist. Andreas Höritzauer beschreibt Steiner als „suchenden Geist“, der die Freiheit des Denkens betonte und zugleich konkrete Antworten auf die Herausforderungen seiner Zeit suchte: „Man muss alles denken dürfen. Es darf keine Instanz geben, die sagt, das darfst du aber nicht denken.“
Doch Steiners Weltbild ist nicht unumstritten. Kritiker bemängeln die fehlende wissenschaftliche Fundierung vieler Aussagen und die Nähe zu esoterischen Ideen. Die Demeter-Bewegung begegnet dieser Kritik mit Pragmatismus: „Wir forschen und schauen einmal, was macht es?“ sagt Höritzauer – und betont die Bereitschaft, neue Erkenntnisse zu integrieren, ohne die eigenen Wurzeln zu verleugnen.
Einladung zum „Verrücktsein”
„Ich sag immer: Demeter-Menschen müssen ein bisschen verrückt sein. Verrückt im schönen Wortsinn, im positiven Sinne. Ich muss mich verrücken, damit ich dahinter schau“, sagt Höritzauer. So sieht er Demeter als innovative Speerspitze, die bewusst anders denkt, ohne sich als „besser“ oder „besonderer“ zu sehen, sondern als Teil eines offenen, sozialen Austauschs in der Landwirtschaft.
Demeter ist eine Haltung, die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion als kulturelle und soziale Aufgabe versteht. Die Bewegung stellt Fragen, wo andere mechanistisch handeln, und sucht Verbindungen, wo andere trennen. Ob man die spirituelle Dimension als Bereicherung oder als Ballast empfindet, bleibt eine individuelle Entscheidung. Fest steht: Es lohnt sich, genauer hinzusehen, die eigene Haltung zu hinterfragen – und vielleicht auch einmal mit geschlossenen Augen über einen Demeter-Acker zu gehen.