Trüffelöl – Luxus oder Verbrauchertäuschung?

Trüffelpasta, Trüffelmayo, Trüffelpopcorn – Trüffelprodukte sind im Trend. Doch vieles davon hat mit echten Trüffeln kaum etwas zu tun.
von Nick Pulina
Trüffelöl
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Einst waren es Schweine, die sich mit ihren speziell trainierten Rüsseln durch die Wälder des Périgord arbeiteten, um Trüffel aufzuspüren – und sie anschließend selbst zu fressen. Also übernahmen irgendwann weniger verfressene, aber genauso geruchssensible Hunde diesen Job, und so ist es bis heute geblieben. Die Ernte ist zeitintensiv und nur selten wirklich ertragreich, was Trüffel seit jeher zu einer der rarsten und teuersten Delikatessen macht. Doch diese Zeiten scheinen vorbei: Selbst Discounter bieten inzwischen Trüffelprodukte aller Art an, und das zu erstaunlich niedrigen Preisen. Möglich machen das vor allem hocharomatische Trüffelöle, die den Trüffelgenuss zunehmend demokratisiert haben.

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Trüffelhund
Sie haben den Job von den Schweinen übernommen: In den Wäldern des Périgord trifft man heute eher Hunde als Schweine bei der Suche nach Trüffeln.

Doch der Eindruck täuscht: Echte Trüffel haben ihren Wert keineswegs verloren. Je nach Sorte kann ein Kilo zwischen ein- und siebentausend Euro kosten. Preise in dieser Höhe erzielen zwar nur die beiden edelsten Sorten, der schwarze Périgord-Trüffel und der weiße Alba-Trüffel, doch gängiger Expertenmeinung nach verfügen auch nur sie über wirkliches aromatisches Potenzial. Wie also kann es sein, dass ein 100-ml-Fläschchen Trüffelöl teils für unter vier Euro angeboten wird?

Trüffelaroma aus der Petrischale

„Nur die allerwenigsten Trüffelöle enthalten echten Trüffel“, sagt Saskia Bos, Trüffelexpertin und Tochter der Düsseldorfer Feinkostlegende Ralf Bos. „Um Trüffel auf die Zutatenliste schreiben zu dürfen, reicht es, wenn man homöopathische Mengen irgendeiner Trüffelsorte in sein Produkt gibt. In den meisten Fällen ist das kostengünstiger Chinatrüffel, der von sich aus über kaum Aroma verfügt. Der Geschmack wird künstlich erzeugt.“

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Thomas Edlinger
Thomas Edlinger ist Veranstalter des ersten Wiener Trüffelmarktes.

Die meisten Trüffelöle folgen einem ähnlichen Rezept: Man nehme eine ausreichende Menge neutralen Sonnenblumen- oder Olivenöls und gebe einige Tropfen eines Stoffes hinzu, der den wenig genussvoll klingenden Namen 2,4-Dithiapentan trägt. Das Molekül zählt zur Gruppe der Thioketale und ist einer der prägendsten Aromastoffe, die von Natur aus in echten Trüffeln vorkommen. Aufgrund seiner vergleichsweise einfachen chemischen Struktur lässt es sich jedoch problemlos synthetisch herstellen – ein Vorteil, den sich die Lebensmittelindustrie zunutze macht. So entsteht ein günstiges Öl, das dennoch großen Trüffelgenuss verspricht und nahezu jedes Produkt mit intensivem Trüffelaroma versieht. Und genau das ist ein Problem, wie Thomas Edlinger, Inhaber und Küchenchef des Wiener Restaurants Edlingers Tempel sowie Organisator des ersten Wiener Trüffelmarktes, zu berichten weiß.

„Trüffelöl ist Selbstbetrug“

„Das Problem mit Trüffelöl ist, dass es den Geschmack verwäscht und die Leute verwirrt. Das Aroma, das die meisten Trüffelöle zu imitieren versuchen, ist das des weißen Alba-Trüffels. Das kann aber gar nicht funktionieren, dafür ist es viel zu vielschichtig und auch von Knolle zu Knolle verschieden. Trotzdem haben sich inzwischen schon viele an dieses Aroma gewöhnt und verbinden es mit Trüffel. Was man aber eigentlich bekommt, ist ein viel zu intensiv schmeckendes Öl, das eher an Medizin erinnert als an das echte Produkt. Trüffelöl ist schlichtweg Selbstbetrug: Die Leute wollen den Geschmack von weißem Trüffel, aber nicht dafür bezahlen.“

Genaues Lesen hilft

Selbst wenn ihr ganze oder gehobelte Trüffelknollen im Glas kauft, lohnt sich ein Blick auf die Zutatenliste. Denn selbst echte Trüffel werden häufig zusätzlich mit synthetischen Aromastoffen versetzt – vor allem dann, wenn die verwendete Sorte von Natur aus nur wenig Geschmack mitbringt. Orientierung bietet der lateinische Name: Bei Tuber magnatum (weißer Alba-Trüffel) und Tuber melanosporum (schwarzer Périgord-Trüffel) könnt ihr bedenkenlos zugreifen. Stehen hingegen Tuber aestivum (Sommertrüffel), Tuber indicum (China-Trüffel) oder andere Namen auf dem Etikett, ist Vorsicht geboten: Diese Sorten sind oft deutlich milder und werden in vielen Produkten zusätzlich aromatisiert.

„Es ist eine Kostenfrage“

Wenngleich 2,4-Dithiapentan der Aromastoff ist, der den charakteristischen Trüffelgeschmack am stärksten prägt, ist er dennoch nur eine von zahllosen Facetten. An die geschmackliche Komplexität eines echten Trüffels kann selbst das beste Laborprodukt nicht heranreichen. Wieso also nicht einfach Öl aus echten Trüffeln herstellen?

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Trüffel
Teurer Spaß: Künstliches Aroma ist deutlich günstiger, als der echte Trüffel. Daher wird dieses Aroma oftmals bei verarbeiteten Produkten eingesetzt.

„Es ist am Ende eine Kostenfrage“, erklärt Saskia Bos. „Künstlich aromatisiertes Trüffelöl ist um ein Vielfaches günstiger als ein Öl aus echten Trüffeln. Natürlich kann man auch aus ihnen ein aromatisches Öl herstellen, wir haben sogar eines im Sortiment. Die Menge an Trüffeln, die man dafür braucht, ist allerdings sehr groß. Außerdem kann man den einmal eingelegten Trüffel danach eigentlich nicht mehr verwenden, er hat sein ganzes Aroma abgegeben. Eigentlich müsste man dieses Öl in winzige Fläschchen abfüllen, um immer das perfekte Aroma herauszubekommen. Das ist für alle Seiten viel zu aufwendig.“

Echte Trüffel sind alternativlos

Doch selbst wenn klar ist, dass die meisten Trüffelprodukte im Alltag keinen oder nur minimale Mengen minderwertiger Trüffelsorten enthalten, bleibt ein Problem bestehen: Viele haben sich längst an den künstlichen Geschmack gewöhnt. Was also tun, wenn man nicht auf Trüffelpasta verzichten möchte, aber seine Geschmacksnerven nicht mit überwürztem Aroma betäuben will?

„Das mag vielleicht einige enttäuschen, aber es gibt keine Alternative zum echten Trüffelgeschmack“, sagt Saskia Bos. „Er ist einfach zu komplex, um künstlich nachgebildet zu werden. Wer ein echter Trüffelliebhaber ist, sollte zum echten Trüffel greifen. Wenn man den Geschmack trotzdem konservieren will, ist Trüffelbutter die deutlich schönere Möglichkeit als Öl. Sie ist meist nicht so intensiv aromatisiert, bringt ein schöneres Mundgefühl mit sich, das die Zunge länger besetzt und somit auch zartere Aromen einfangen und transportieren kann.“

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Trüffel-Pasta
Nur der echte Trüffel bietet das volle Geschmackserlebnis, das sagt auch Trüffelexperte Gareth Renowden.

Wer partout nicht auf seine tägliche Portion Trüffel(geschmack) verzichten möchte, muss kein schlechtes Gewissen haben. Wie Trüffelexperte Gareth Renowden in seinem Grundlagenwerk The Truffle schreibt, sind „Trüffelöl und die vielen Produkte mit Trüffelgeschmack […] nicht unbedingt schlecht. Sie vermitteln ein vereinfachtes Bild, eine Art Cartoon-Version – hell und farbenfroh, aber letztendlich falsch.“ Der Schlüssel liegt im Erwartungsmanagement: Solange man sich im Klaren darüber ist, dass Trüffelöl den Luxus lediglich simuliert, statt ihn wirklich erfahrbar zu machen, spricht auch nichts gegen seinen Konsum. Wir halten es da lieber wie Saskia Bos: „Lieber seltener, aber dafür dann auch richtig.“

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