Bio kann drin sein, auch wenn’s nicht draufsteht. Und regional bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Produkt aus Österreich kommen muss. Wenn man mit Michael Schwarzenbacher, dem Chef de Cuisine im Haubenlokal Mangold im Ländle spricht, wird einem beides klar. Einerseits arbeitet er mit Kleinstbetrieben zusammen, die sich eine Bio-Zertifizierung weder leisten können noch wollen, sei es aus zeitlichen oder bürokratischen Gründen. „Sie erzeugen beste Bio-Produkte, und zwar mit dem Hausverstand. Ehrlich, ohne viel Chichi“, sagt Michael. Andererseits liegt das Lokal im westlichsten Eck des Landes. „Da ist uns das Piemont näher als das Burgenland, und das Elsass und Burgund sind auch nicht weit weg.“ Was nicht bedeutet, dass er aus Prinzip über die Grenze lugt, um beste Zutaten aufzutreiben. Er schließt es nur nicht aus.
„Wir haben ein extrem gutes Team. Da denkt jede und jeder
genauso wie ich: Alle schätzen die Produkte, die wir verarbeiten.
Und das, was sie für den Körper tun“
It’s the community, stupid!
Das Mangold mit seinem wunderbaren Winter- und Innenhofgarten – hier steht ein beeindruckender Baldachin voller Weinreben – gilt schon lange als Oase für Feinschmecker:innen. Der Name ist allerdings, wie man vermuten würde, keine Hommage an die grüne Gemüsepflanze. Wobei das auch nicht abwegig wäre, da frisches Gemüse hier eine große Rolle spielt. Es handelt sich vielmehr um den Familiennamen seiner Frau Andrea. Die Mangolds waren schon 1870 vor Ort, in den 1960er Jahren übernahm Michaels Schwiegervater den Betrieb von seinen Eltern. Und heute führt er es gemeinsam mit Andrea, die nun seinen Namen trägt und sich mit Leib und Seele dem Service verschrieben hat. „Wir haben ein extrem gutes Team. Da denkt jede und jeder genauso wie ich: Alle schätzen die Produkte, die wir verarbeiten. Und das, was sie für den Körper tun“, sagt Michael über seine Mitarbeiter:innen, über Zwanzig an der Zahl.
Die Lieferantinnen und Lieferanten sind für ihn Partner:innen, „die dieselbe Sprache sprechen.“ Mit vielen arbeiten die Schwarzenbachers seit Jahrzehnten zusammen. Darunter auch der Biohof Wegwarte, einer der ersten Bio-Betriebe in Vorarlberg, auf den sie aufmerksam wurden, als sie Eltern wurden. Das Püree, das Michael für seine drei Kinder aus den Bio-Karotten machte, zeigte ihm, „dass da schon sehr viel mehr Kraft drinnen ist als in konventionell erzeugtem Gemüse.“ Wenn es den Kleinen nicht geschmeckt hätte – sie hätten es sicher lauthals verkündet. Es gibt wohl keine schonungsloseren Kritiker:innen als Babys und Kleinkinder.
Dolce Vita und der Zauber der frischen Tomate
Frisches Gemüse spielt im Mangold eine entscheidende Rolle. „Beim Kochen ist es das höchste der Gefühle, wenn du ein Produkt ernten, es direkt verarbeiten und dann servieren kannst. Das ist ganz große Küche“, sagt Michael. Jedes Jahr freut er sich auf die Zeit, wenn diverse Gemüsesorten reif werden, z. B. die Tomatenraritäten, die er am liebsten von der Rispe gleich auf den Teller bringt: „Mit Ziegen- oder Schafskäse aus Vorarlberg, bestem Olivenöl, bestem Balsamico, also ganz einfach.“ Gibt es mal einen Überschuss, was den Biobäuerinnen und -bauern im Sommer durchaus passieren kann, verarbeitet er das Gemüse weiter. Die Tomaten werden dann zu hausgemachtem, zuckerfreiem Ketchup, das er auch noch im Winter kredenzen kann.
„Mir ist wichtig, dass wir zu unseren Produkten stehen können, aber ich verschließe mich auch nicht dem, was sich außerhalb des 100-Kilometer-Radius befindet. Ich habe immer wieder schon ganz gerne einen Meeresfisch am Teller, natürlich in der besten Qualität“
Seine saisonale Küche hat Leichtigkeit. Sie ist mediterran geprägt und zeigt internationale Einflüsse. „Wir versuchen, eine transparente, ehrliche Küche zu machen. Mir ist wichtig, dass wir zu unseren Produkten stehen können, aber ich verschließe mich auch nicht dem, was sich außerhalb des 100-Kilometer-Radius befindet. Wenn es keinen Fisch aus Gewässern der Umgebung gibt, habe ich auch immer wieder ganz gerne einen Meeresfisch am Teller, natürlich in der besten Qualität“, sagt Michael. Fisch bezieht er am liebsten aus der Region, wie den Zander aus dem Bodensee: „Der ist meine Nummer Eins.“ Gefolgt vom Branzino.
Eine solche Qualität-vor-Quantität-Einstellung teilen angesichts der klimatechnischen und gesellschaftlichen Herausforderungen immer mehr Menschen. „Es gibt immer noch Leute, die glauben, es ist zufällig so warm. Die Klimaveränderungen sind eine der größten Herausforderungen, bei der wir in der Landwirtschaft und im Land selbst anstehen“, sagt er. Am biologischen Anbau geht kein Weg vorbei, wie er findet.
„Man sollte die mediterrane Leichtigkeit wieder
mehr leben und nicht alles so ernst nehmen.
Denn im Grunde geht’s uns richtig gut.“
Auch braucht die Gastronomie von morgen mehr Mitarbeiter:innen – die nächste Baustelle. „Ich bilde immer wieder junge Leute aus, das liegt mir sehr am Herzen. Und ich frage mich, wie man auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen und dabei gleichzeitig die Bedürfnisse der Gäste stillen kann.“ Die Gäste kommen gern und immer wieder, das sieht er als Privileg. Was Michael auftischt, leisten sie sich gerne. Vielleicht, weil auch eine große Portion Dolce Vita in der Luft liegt, wenn man im Mangold Platz nimmt.