In der altindischen Medizinlehre Ayurveda steht das Prinzip Sattva für Reinheit und Ausgeglichenheit, für Wahrhaftigkeit und Erkenntnis. Wie es sich mit diesem Prinzip in der Wiener Apostelgasse verhält, stellt man am besten mit einem Blick in Michael Kleins Küche fest. Dieser Blick ist zum Glück unverbaut: In Michaels „Sattva Vegan“ können die Gäste direkt von ihren Tischen aus durch eine Art offenes Sichtfenster (unter dem eine exquisite Kochbuchsammlung verstaut ist) in die Küche hineinschauen – Transparenz aus Prinzip.
Schön, aber was hat das mit Reinheit und Ausgeglichenheit zu tun? Nun: In der besagten Küche bereitet Michael Klein vegane Gerichte zu, die zu mindestens 95 Prozent aus Bio-Produktion stammen und, so weit wie möglich, auch aus lokalem Anbau (bloß einige Gewürze und Nüsse sowie Kokosmilch und Kakao kommen von weiter her).
„Die Idee ist es, Essen als heilendes Element zu begreifen.“
Diese Gerichte basieren auf ayurvedischen Grundlagen – und hier kommt nun endlich Sattva ins Spiel: „Sattva ist ein Element in der ayurvedischen Küche“, erklärt Michael: „Die Idee ist es, Essen als heilendes Element zu begreifen. Sattva steht für positive Energie und Harmonie. Es hat mich immer fasziniert, wie man mit frischen Zutaten und Gewürzen dem Körper etwas Gutes tun kann.“
Man kann Sattva also auch schmecken, in den täglich wechselnden Gerichten, die Michael in seiner offenen Küche zubereitet – immer vegan, grundsätzlich frisch, durchwegs aus Bio-Zutaten, mit großer Gewissenhaftigkeit und östlicher Weisheit: Kraftsuppe mit Perlcouscous, Gemüse-Curry und Linsen-Dal mit Koriander-Raita und Dattel-Tomaten-Chutney; aber auch Moussaka, Burger oder eine Dinkel-Lasagne al Forno mit Soja-Bolognese, denn ja: „Im Grunde kann man fast alle Gerichte nach ayurvedischen Prinzipien kochen. Es muss nicht indisch sein.“
Michael Klein stammt übrigens nicht aus Wien und auch nicht aus Indien, sondern aus New Jersey, USA. Er hat in Österreich lange Zeit als Software-Entwickler gearbeitet, aber daneben auch schon sehr lange einen Traum gehegt. Bei dessen Verwirklichung ist ihm die Realität das eine oder andere Mal dazwischengekommen, aber das war im Nachhinein betrachtet gar nicht so schlecht. Schon während seiner Software-Karriere hat er immer gern und gut gekocht, und wenn er seine Currys und Suppen ins Büro mitbrachte, bekam er von Kolleg:innen stets zu hören, dass er da unbedingt etwas daraus machen möge, denn das schmecke alles so dermaßen fantastisch. Und so entstand eben jener Traum, vom eigenen Lokal, irgendwann …
„Sattvisches Kochen bedeutet, dass wir auf Fertigprodukte verzichten und wirklich alles täglich frisch zubereiten.“
Dieses Irgendwann wurde im Jahr 2019 konkreter: Michael wechselte zu einem Catering-Unternehmen und schmiedete Pläne, seine Gerichte bald mit einem Foodbike an wechselnden Standorten zum Mittagstisch anzubieten. Doch dann kam Corona, die Pläne wurden verschoben – und schließlich hatte ein Kollege vom Catering eine interessante Nachricht: Es gäbe da dieses Lokal in der Apostelgasse. Michael schlug zu, eröffnete direkt in den zweiten Lockdown hinein, „und auch das war in Wirklichkeit gar nicht so schlecht, weil wir mit dem Takeaway-Geschäft langsam und mit einem kleinen Team wachsen konnten.“
Inzwischen hat Michael sechs Mitarbeiter:innen und steht prinzipiell immer zu zweit in der Küche, denn „sattvisches Kochen bedeutet, dass wir auf Fertigprodukte verzichten und wirklich alles täglich frisch zubereiten. Darum ist unsere Karte auch eher klein. Zum jeweiligen Mittagsteller gibt es am Abend noch zwei bis drei verschiedene Gerichte von der Wochenkarte.“
Im Hinduismus gilt (und ja, wir verkürzen hier ein wenig) das Prinzip der ewigen Wiederkehr. Man kann dieses ruhig auch essend beherzigen: in der Apostelgasse in Wien-Erdberg, täglich ab 11.30 Uhr.