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Warum uns industrielle Ernährung krank macht

Laut Expertin erzeugt moderne Lebensmittelchemie Reize für unser Gehirn, auf die wir evolutionär „abfahren“.
von Eva Komarek
Fertigessen im Supermarkt
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Vegan, Paleo, Low-Carb, Pescetarian, Keto, Clean-Eating, Superfoods, Functional Foods: Wer hat da noch den Durchblick? Noch nie zuvor in der Geschichte war das Thema Ernährung so heiß umkämpft wie heute. Immer mehr Menschen beschäftigen sich intensiv mit der Frage der gesunden Ernährung. Es ist ein regelrechter Hype entstanden. Und obwohl wir uns in der westlichen Welt immer mehr mit der Frage nach der richtigen Ernährungsweise beschäftigen, nehmen chronische Erschöpfung, Übergewicht, Diabetes Typ 2, Metabolisches Syndrom, Allergien, Unverträglichkeiten und Krebs zu. Wie kann das sein?

Lebensmittel aus dem Chemiekasten

Wir bekommen heute Ware, die hauptsächlich aus dem Chemiekasten stammt: versetzt mit Zusatz- und Farbstoffen und Konservierungsmitteln. Über Fleisch nehmen wir Antibiotika und künstliche Hormone zu uns. All das beeinträchtigt unsere Nahrungsmittel und damit auch unsere Gesundheit.

„Zuckergehalt, Fettgehalt, Farbe und Geruch werden künstlich angepasst, um das Kaufverhalten für den Produzenten günstig zu beeinflussen.“
Doris Eller-Berndl

Mehr noch: Moderne Lebensmittelchemie erzeugt Reize für unser Gehirn, auf die wir evolutionär „abfahren“, sagt Doris Eller-Berndl, Präventivmedizinerin und Autorin des Buchs „Der Energiecode“. „Zuckergehalt, Fettgehalt, Farbe und Geruch werden künstlich angepasst, um das Kaufverhalten für Produzentinnen und Produzenten günstig zu beeinflussen.“

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Chemie in Lebensmitteln

Auch genetische Veränderungen sollen den Ertrag und damit die Gewinnspanne verbessern. „In Europa sind aktuell 71 gentechnisch veränderte Pflanzenlinien für die Einfuhr in die EU zugelassen. Davon darf aber nur eine gentechnisch veränderte Pflanzenlinie – Mais MON810 – in der EU auch angebaut werden“, so Eller-Berndl. Im gentechnikkritischen Österreich gelte ein Toleranzwert von 0,1 Prozent für zugelassene genetisch veränderte Pflanzen. „Bei Bio-Produkten ist der bewusste Einsatz der Gentechnik gesetzlich verboten, da die Natur aber ein offenes System ist, kann ein Nullwert nicht erreicht werden“, betont sie.

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Gemüsefeld
Genetische Veränderungen sollen den Ertrag und damit die Gewinnspanne unserer Lebensmittel verbessern. Bei Bio-Produkten ist der bewusste Einsatz der Gentechnik gesetzlich verboten.

Die steigende Nachfrage nach Bioprodukten zeigt, dass sich diesbezüglich ein breiteres Verständnis entwickelt. Österreich liegt in der Produktion im europäischen Spitzenfeld. So wird laut WKO jeder fünfte Hektar Agrarfläche biologisch bewirtschaftet.

„Nahrung liefert uns Energie. Sonnenlicht spielt dabei eine wesentliche Rolle“
Doris Eller-Berndl

Natürliche Nahrungsmittel liefern mehr Energie

Das Problem mit der gesunden Ernährung geht allerdings über die reine Frage von biologischer oder konventioneller Herstellung hinaus, sagt Eller-Berndl. Denn Nahrungsmittel haben einen wesentlichen Einfluss auf unseren Energiehaushalt.

„Nahrung liefert uns Energie in Form von Protonen und Elektronen, die unsere Zellkraftwerke, die Mitochondrien, mit Energie versorgen. Sonnenlicht spielt dabei eine wesentliche Rolle“, sagt sie. Tatsächlich gäbe es ohne Licht keine Nahrung. Pflanzen nutzen das Licht der Sonne, um Sauerstoff und Glukose zu produzieren und damit zu wachsen. Sie enthalten neben Mineralien, Vitaminen und Polyphenolen vor allem Zucker – und jene, die ölhaltige Samen produzieren, auch ungesättigte Fette.

„Kann ein Tier oder eine Pflanze ein artgerechtes Leben unter natürlichen Licht- und Futterverhältnissen führen, dann wird die Elektronenausbeute viel höher ausfallen.“
Doris Eller-Berndl
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Bio-Lebensmittel
Nahrungsmittel haben einen wesentlichen Einfluss auf unseren Energiehaushalt.

Wenn Tiere die Pflanzen fressen, nutzen sie diese Energie, um komplexere Eiweiße aufzubauen. Essen wir tierische Nahrungsmittel, nehmen wir diese aufgewertete Form der Energie zu uns. „Fette und Eiweiß haben eine höhere Energieausbeute, sprich mehr Elektronen, als pflanzlicher Einfachzucker.“ Die höchste Ausbeute für uns Menschen hat Seafood, also Fisch und Meeresfrüchte.

Inzwischen hat die Wissenschaft bewiesen, dass die Elektronenausbeute von der Situation abhängig ist, unter der Pflanzen und Tiere gedeihen. Denn natürliches Tageslicht hat eine andere Qualität und Wirkung als Kunstlicht. „Kann ein Tier oder eine Pflanze ein artgerechtes Leben unter natürlichen Licht- und Futterverhältnissen führen, dann wird die Elektronenausbeute viel höher ausfallen. Ist dies im Rahmen der Massentierhaltung und Massenproduktion nicht der Fall und zusätzlich der Transportweg sowie die Lagerung bis zu unserem Teller sehr lang, ist die Ausbeute an freien Elektronen entsprechend reduziert“, betont Eller-Berndl. Da wundert man sich vielleicht jetzt weniger, wenn man sich oft müde fühlt.

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Kühe auf der Weide.
Die Elektronenausbeute ist von der Situation abhängig, unter der Pflanzen und Tiere gedeihen.

Einfluss auf den Energiestoffwechsel

Übrigens haben Nahrungsmittel noch einen weiteren Einflussfaktor auf unseren Energiehaushalt. Evolutionär waren wir immer von den Saisonen und deren Nahrungsangebot abhängig. Dementsprechend gibt es auch Anpassungen in unserem Energiestoffwechsel. Somit ist Licht nicht nur Energielieferant, sondern auch Informationsträger.

„Der stärkste Trigger ist das Sonnenlicht und in der schwachen Lichtsaison des Winters in unseren Breitegraden, die Kälte“, sagt Eller-Berndl. Ohne entsprechende Stärke des Sonnenlichts bilden Pflanzen keinen Zucker. Die meisten gehen ab einem gewissen Lichtmangel und Kälteexposition in ein Ruhestadium. Sie werfen etwa die Blätter ab und ziehen die Säfte zurück.

Saisonale und regionale Lebensmittel, die unter dem freien Himmel im natürlichen Boden und von der Sonne geküsst gewachsen sind, sind für unsere Gesundheit am besten.

„Unsere Mitochondrien bevorzugen ab diesem Zeitpunkt den Fettstoffwechsel, da das zuckerreiche Nahrungsangebot durch Früchte und Wurzelknollen des Sommers und Frühherbstes in der Natur nun nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt vorhanden ist.“ Zumindest war das einmal so, bis durch den Fernhandel und temperierte Glashäuser dieses Zusammenspiel verändert wurde. „Plötzlich gibt es Erdbeeren und Bananen zu Weihnachten. Erstere werden üblicherweise im Mai natürlich reif, Bananen wuchsen in Österreich gar nicht“, so die Präventivmedizinerin. Das sorge im Körper für reichlich Verwirrung und wirke sich auf unseren Energiehaushalt aus.

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Bananen im Supermarkt
Plötzlich gibt es Erdbeeren und Bananen zu Weihnachten.

Regional und saisonal ist Trumpf

Saisonale und regionale Lebensmittel, die unter dem freien Himmel im natürlichen Boden und von der Sonne geküsst gewachsen sind, sind für unsere Gesundheit am besten. Man sollte sich also überlegen, ob das, was man isst, am Sonnenlicht war oder im Glashaus, oder – schlimmer noch – überhaupt indoor in einer Nährlösung gezogen wurde. Dasselbe gilt für Fleisch und Fisch.

Man kann auch versuchen, Quellen zu finden, die Tiere aus artgerechter Haltung anbieten. Demeter erfüllt übrigens viel strengere und weitreichendere Kriterien als von der EU für den Bioanbau vorgeschrieben. „Demeter hat in Österreich eine lange Tradition und gab es bereits, bevor Bio ein gesellschaftliches Thema wurde. Der Demeter-Standard baut auf den Biostandard auf, weist aber eine strengere Handhabung beispielsweise von erlaubten Zusatz- und Verarbeitungshilfstoffen, landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und nachweisbaren Biodiversitätsflächen auf“, fasst Eller-Berndl zusammen. Neben der persönlichen Gesundheit tut man auch etwas hinsichtlich des Klimawandels.

Doris Eller-Berndl

Doris Eller-Berndl,

Präventivmedizinerin und Autorin des Buchs „Der Energiecode“

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