Ziemlich genau zwei Kilometer liegen zwischen beiden Restaurants des engagierten Sternekochs: Dem TIAN in der Himmelpfortgasse, das man seit 2012 als Paul Ivićs Hauptrestaurant kennt, und dem TIAN Bistro am Spittelberg, das im Jahr 2015 im 7. Wiener Bezirk eröffnet hat. Natürlich werden in beiden Lokalen regionale Gemüsekreationen serviert, die österreichweit Maßstäbe setzen. Und beide atmen diese typische TIAN-DNA, in der es genauso bodenständig wie virtuos zugeht.
Trotzdem: Beide Restaurants miteinander zu vergleichen, kann schnell zu Missverständnissen führen. Zum Beispiel zu dem, dass das TIAN Bistro „unkomplizierter“ sei. „Wir sind ja im Hauptrestaurant auch nicht kompliziert“, sagt Ivić. Und macht klar, dass das TIAN Bistro am Spittelberg mehr ist als einfach nur ein legerer Ableger seines Sternerestaurants.
Man schenke sich selbst reinen Wein ein
Vor rund neun Jahren wurde das Bistro eröffnet, doch seine Wurzeln liegen eigentlich in Paul Ivićs Kindheit. Oder sagen wir so: In seinen Kindheitserinnerungen an die Urlaube bei seiner Familie in Kroatien. „Dort saßen wir alle gemeinsam am Tisch, der reich gedeckt war, und bedienten uns einfach an den vielen Speisen, die da in der Mitte des Tisches standen, ohne viel nachzudenken“, erinnert sich der Sohn eines Kroaten und einer Österreicherin. „Genau so einen Ort wollte ich mit dem Bistro auch schaffen.“
„Wenn man sich hier eine Flasche Wein bestellt, schenkt man sich selbst ein.“
Konkret bedeutet das Folgendes: Da landen pro Person sieben Gerichte auf dem Tisch. Und zwar mit den exakt gleich hochwertigen Bio-Produkten wie im Hauptrestaurant. Wie zum Beispiel Topinambur, dem TIAN-Tatar und Pimientos de Padrón. Oder herzhafte Kartoffelknödel mit Pilzen und Wurzelgemüse. Oder sämig-cremiger Kokosmilchreis mit Quitte und Karotte. Und das um gerade einmal 54 Euro.
Jeden Samstag gibt’s außerdem Frühstück. Von Egg Benedict über Congee – eine Art Reisporridge aus China – mit Shiitake-Pilzen, jede Menge Aufstriche und Gemüse sowie Süßes wie French Toast mit Ganache: Hier wird der Bistro-Gedanke mit hochwertigstem Comfort Food zelebriert, wie man es in Österreich noch viel zu selten sieht.
„Man soll sich eben einfach fühlen wie zu Hause.“
„Meine Idee war von Anfang an, dass sich die Servicemitarbeiter:innen hier eher zurückhalten“, sagt Ivić. „Wenn man sich hier eine Flasche Wein bestellt, schenkt man sich selbst ein. Es soll eben echtes Bistro-Feeling sein, wie man es beispielsweise aus Frankreich kennt. Man soll sich eben einfach fühlen wie zu Hause.“ Bei den Gästen kam das von Anfang an gut an. Vor allem aber haben die vielen kleinen Bio- und Demeter-Lieferantinnen und -lieferanten auch etwas davon.
Das Bistro als wichtiger Hebel
„Wir servieren zwischen 140 und 160 Essen pro Abend“, erklärt Paul Ivić. „Das heißt, wir bewegen uns da schnell im Tonnenbereich, was die monatliche Gemüsemenge angeht. Damit sorgen wir auch dafür, dass kleine Produzentinnen und Produzenten einen verlässlichen Partner haben, der wirklich nachhaltige Produkte in die Gastronomie bringt“, sagt Ivić.
Natürlich: Bei besagten landwirtschaftlichen Betrieben handelt es sich zum allergrößten Teil um dieselben wie beim Hauptrestaurant. Aber: „Dort sind wir wie ein Formel-1-Team, das Dinge mit viel Forschungsdrang und Innovationslust entwickelt“, sagt Ivić. „Und genau das unter möglichst viele Leute zu bringen, das geht wie in der Automobilbranche erst, wenn man es serienmäßig ausspielt. Und dieser Hebel, um wirklich viele Menschen zu erreichen, das ist bei uns das Bistro.“
Sosehr Ivić mit dem Bistro die TIAN-Philosophie einem möglichst breiten Publikum nahebringen will – von Franchise will der engagierte Spitzenkoch trotzdem nichts wissen. „Damit würde man die DNA eines solchen Orts riskieren. Er lebt ja von Menschen, von all diesen großartigen Charakteren, die sich meist schon seit Jahren innerhalb der TIAN-Familie entwickeln und entfalten. So etwas ist nicht einfach beliebig oft kopierbar. Zum Glück!“