Wer im Bio-Hofladen Sommerein einkauft, bekommt Lungenbraten vom Schwein, Blunzen und Wurstspezialitäten im ebenerdigen Hofladen und Literatur im ersten Stock. Patricia und Alfred Tatzber beschlossen 2015 ihren Betrieb auf Bio umzustellen und 2020 eröffnete Patricia die erste öffentliche Hofbücherei Österreichs. Anfangs war diese Idee geradezu exotisch. „Mittlerweile ist das gut aufgegangen und wir haben eine kleine Bücherei-Community und Kund:innen, die Einkauf und Literatur gern kombinieren.“
Ausschlaggebend für die einzigartige Fusion war der Umbau des Schweinemastbetriebs. Alfred hatte sich schon immer fürs Wurstmachen interessiert, es gab aber keinen geeigneten Verarbeitungsraum. „Als wir beschlossen, uns darauf einzurichten, war auch schnell klar: Wenn wir den Stall umbauen, dann gleich entsprechend der Bio-Richtlinien.“, erzählt Patricia.
„Mein Mann war in den späten 1980er Jahren während der ersten Ökowelle sehr aktiv in der Landjugend. Er war eigentlich ein Öko. Für uns ist Bio ein Standard, hinter dem wir stehen und der auch unabhängig überprüft wird. Auch wenn das für meinen Schwiegervater wie ein Rückschritt wirkte – hatte er doch den Betrieb in einer Zeit übernommen, als die technische Modernisierung viele Arbeitserleichterungen in der Landwirtschaft mit sich brachte.“
„Für uns steht die Wertschätzung dem Tier gegenüber im Vordergrund.“
Ein glückliches Schweineleben
Die Grundsätze des Betriebs mit 50 Hektar landwirtschaftlicher Fläche und durchschnittlich 75 Schweinen im Stall passten schon immer. „Für uns steht die Wertschätzung dem Tier gegenüber im Vordergrund“, so Alfred Tatzber. Die Ferkel kommen mit etwa drei Monaten vom Bio-Betrieb Helmut Raser in Pachfurth nach Sommerein und verbringen ein gutes halbes Jahr am Hof, bevor sie idealerweise ebenso am Hof geschlachtet werden. Zehn Schlachttermine im Jahr, wo etwa fünf Tiere direkt verarbeitet werden, gehen sich aus. „Eine Generation zurück ist in fast jeder Bauernfamilie zuhause geschlachtet worden. Viele, die jetzt in unserem Alter sind, haben das als Kinder zuhause noch mitbekommen. Das war ein kulturelles Allgemeingut“, erzählt Patricia.
„Alleine am Futtertrog kann man alles beobachten, was es in der menschlichen Gesellschaft auch gibt.“
Der Hauptgrund für diesen geschlossenen Kreislauf ist, den Tieren ein stressfreies Ende ohne Transport zu bereiten. „Wir haben Verantwortung für das Tier und zollen ihm auch den Respekt, den es verdient. Die Schweine sind sehr sensibel und man merkt sofort, wenn sie Panik haben.“ In den Großraumboxen mit großem Laufstall, der nach draußen offen ist, zeigen sich die unterschiedlichen Charaktere. „Alleine am Futtertrog kann man alles beobachten, was es in der menschlichen Gesellschaft auch gibt.“Viele Besucher:innen, unter anderem Kindergruppen von „Schule am Bauernhof“ sind immer wieder verwundert über die Sauberkeit im Stall, die Alfred Tatzber besonders wichtig ist. „Wenn die Schweine Platz haben, gehen sie raus zum Misten. Es riecht also auch nicht unangenehm. Das ist auch das Problem mit den umstrittenen Spaltenböden. Diese Dämpfe werden von den Tieren eingeatmet. Bessere Luft im Stall bedeutet auch besseres Fleisch.“ Durch die Kreuzungen mit alten Rassen, darunter Schwäbisch-Hällisches und Duroc, ist die Fleischqualität sehr hoch. „Wir haben Rassen, die langsam wachsen, damit sich das Fett gut einlagert und ein schönes, marmoriertes Fleisch zustande kommt. Die Ferkel sind also auch gefleckt“, erklärt Patricia Tatzber.
„Leute erzählen, wie ihnen das Kotelett gelungen ist, schicken sogar Fotos, das macht Spaß.“
Auch die Verarbeitung des ganzen Tiers ist den Tatzbers ein Anliegen: „Wenn Fleischstücke überbleiben, werden sie zu Speck und Geselchtem weiterverarbeitet. „Kleinzeug“, das beim Zerteilen anfällt, wird für Würstel oder Blunzen verwendet. Viele fragen nach Klassikern und Edelteilen wie Schopf oder Lungenbraten. Wir versuchen dann zu erklären, dass man auch andere Teile, wie die Schulter, gut braten kann. Beim nächsten Mal fragen die dann wieder danach. Die Expertise wird bei den Kund:innen mit der Zeit auch besser, was uns freut.“
Die geselligen Verkaufstage im Hofladen gehören zu den Highlights des Arbeitsalltags. „Leute erzählen, wie ihnen das Kotelett gelungen ist, schicken sogar Fotos, das macht Spaß“, betont Patricia, die selbst als Stadtkind aufgewachsen ist. Umso wichtiger ist ihr das eigene Schule-am-Bauernhof-Programm „Was braucht das Schwein zum Glücklichsein?“, wo Kinder einen echten Einblick in die landwirtschaftliche Arbeit bekommen. Im ersten Stock findet sich dann bestimmt noch das ein oder andere Buch zum Weiterlernen.
Patricia und Alfred Tatzber
Patricia: Der Honig bei meiner Großmutter in der Steiermark.
Essen gehen ist gemeinsame Zeit für Kommunikation, für uns als Paar, aber auch mit unseren Töchtern.
Patricia: Sommerpraktikantin im Stiftsarchiv Melk als Schülerin. Viele Jahre später kam ich durch meinen Job bei den Internationalen Barocktagen wieder ins Stift Melk, dem ich mich heute noch verbunden fühle.