Vom „Schimpfwort“ zum Local Hero: Der Gemischte Satz hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Nach dem zweiten Weltkrieg war er einfacher Schankwein, erst seit einigen Jahren gilt der Wein aus der Hauptstadt wieder als fancy. Einer, der dessen Renaissance ermöglicht hat, ist Fritz Wieninger. Der „Doyen des Wiener Weins“ betreibt neben dem Weingut Wieniniger auch noch die Buschenschank Wieninger am Nussberg sowie das Weingut Hajszan Neumann. Das Besondere am Gemischten Satz mit DAC-Siegel vom Wieninger: Die Rebsorten wachsen nicht nur am selben Ort, sondern werden auch zusammen geerntet und vergoren. Dadurch wird der Wein vielschichtig und charakterstark. Ein echter Wiener eben.
„An Schräubchen dreh ich aus Prinzip nicht“
„Wir füllen nichts ab, was mir nicht schmeckt. Diesen kleinen Egoismus muss man mir zugestehen“, sagt Fritz. „Ich mache den Wein nicht für irgendeinen Markt, und an Schräubchen dreh ich aus Prinzip nicht.“ Das Weingut Wieninger produziert rund 340.000 Flaschen pro Jahr, die unter anderem in der heimischen Spitzengastronomie landen, aber auch an internationale Destinationen verschickt werden.
Auf 50 Hektar Rebflächen rechts und links von der Donau wird angebaut; zu den Weingärten am Bisamberg gesellten sich ab 1999 auch welche am Nussberg. Die Mikroklimata sind recht unterschiedlich: Der Bisamberg ist sonniger und niederschlagsärmer als der Nussberg mit seinen steilen Lagen und den Kalkfelsen im Untergrund. Das ergibt ausdrucksstarke und mineralische Weine – während sich jene vom Bisamberg fruchtig, frisch und etwas saurer ausgestalten. Zum Wieninger-Sortiment zählen neben dem Gemischten Satz als Signature-Wein auch Chardonnay, Riesling, Grüner Veltliner, Muskateller und diverse rote wie Pinot Noir, St. Laurent und Merlot.
Die Weine spiegeln auf gewisse Weise auch die wienerische Seele wider. „So wie wir Wienerinnen und Wiener ihn gerne trinken, muss der Wein süffig sein. Er darf nicht zu leicht, aber auch nicht zu schwer sein, er braucht schon ein bisschen Säure aber nicht zu viel, er muss trocken sein und ja nicht süß. Und er muss zum Essen passen. Genauso denke ich auch“, sagt Fritz.
Biodynamie und Pragmatik sind keine Widersprüche
Seit 2011 tragen die Wieninger Weine den Stempel biodynamisch. Mit der Umstellung hatte Fritz Wieninger schon Jahre zuvor begonnen. „Ich bin jetzt nicht so der Weltverbesserer, sondern eher pragmatisch und qualitätsbewusst. Als ich damals gemerkt habe, dass die Bio-Weine immer besser werden, dachte ich, da muss was dahinterstecken,“ sagt Wieninger. 2006 stellte er mit Hilfe seines Winzerfreundes Stefan Hajszan, einem überzeugten Biodynamiker, die ersten fünf Hektar um. Sein Fazit: Der Aufwand ist nicht dramatisch höher, die Erträge nicht bedeutend geringer, man muss nur etwas mehr am Punkt sein und auf das richtige Timing achten. „Im Biodynamischen agiert man prophylaktisch und nicht erst dann, wenn es gefährlich wird.“
Nach einer zweijährigen Probezeit entschied er sich für diese naturnahe Bewirtschaftungsweise, die auf Chemie verzichtet und auf Biodiversität setzt. Fritz absolvierte Ausbildungen, erarbeitete die Prozesse mit einem Berater, nichts sollte dem Zufall überlassen sein. „Ich bin ein Freund von Zertifikaten, an das Freiwilligenprinzip glaube ich nicht. In der Weinbaubranche wird viel Schmäh erzählt.“ Die Wieninger Weine tragen das Siegel respekt-BIODYN, das sich neben Demeter etabliert hat.
Vorausschauendes Denken
Ab April ist Fritz Wieninger selbst in den Weingärten unterwegs. Um fünf Uhr morgens fährt er los, „wenn die Stadt noch im Dämmerschlaf, das Licht noch anders als untertags und die Natur schon sehr da ist.“ Nach seiner Ausbildung an der Weinbauschule Klosterneuburg interessierte er sich zuerst mehr für die Kellerwirtschaft. Die Einsicht, dass man für echte Qualität schon im Weingarten Weichenstellungen vornehmen muss, kam erst später. Im Weingarten ist er heute Dirigent: Er teilt seine Leute ein, schickt sie von A nach B, seine Kenntnis der jeweiligen Besonderheiten der Weingärten „mit ihren Befindlichkeiten und Auffälligkeiten“ ist viel wert.
Dieses über die Gegenwart hinausgehende Denken spiegelt sich auch im biodynamischen Ansatz wider. Es geht auch darum, die Böden für die nächste Generation bereitzustellen. „Wenn ich in Zukunft in der zweiten Reihe stehe und zuschauen kann, was die Generation nach mir aus den Weingärten machen, dann weiß ich eines: Ich bin der Weichensteller gewesen. Auf diesen Moment freue ich mich jetzt schon.“