Es kann ja wohl nicht sein, dass Milchbäuerinnen und -bauern von Förderungen und Nebenerwerbstätigkeiten abhängig sind, um überleben zu können: Das war einer der Gedanken, die Andreas Egger hatte, als die Idee einer Genossenschaft in seinem Kopf langsam Form annahm.
Es müsste doch möglich sein, „innerhalb der Region einen Kreislauf zu schaffen, um faire Bedingungen und Ernährungssicherheit gewährleisten zu können“, dachte er. Unter der Prämisse, dass die Produkte und Rohstoffe, die in diesem Kreislauf kursieren, von höchstmöglicher Bio-Qualität sind. „Bio muss mehr werden und nicht immer weniger. Österreich war da mal federführend.“ Um den Planeten enkeltauglich zu hinterlassen, wie Andreas sagt, komme man um eine biologische Bewirtschaftung nicht herum.
„Bio muss mehr werden und nicht immer weniger.“
Win-win für Landwirtschaft und Leute
Andreas, der zuvor in der Privatwirtschaft gewesen war und Österreichs führenden Ticketvertrieb oeticket.com gegründet hatte, stellte ein Konzept auf. Und gründete 2021 in Nöhagen im südlichen Waldviertel die kleinbäuerliche Erwerbsgenossenschaft, die mittlerweile 120 Mitglieder zählt. Hundert davon sind Konsumentinnen und Konsumenten, die anderen sind Bäuerinnen und Bauern im Umfeld von etwa 25 Kilometern. „Sie bekommen von uns einen Milchpreis, der um etwa zwanzig Prozent höher ist als der, den sie sonst bekommen würden. Das macht eine Menge aus. Und die Konsumentinnen und Konsumenten erhalten ursprüngliche, echte Produkte“, sagt Andreas.
„Unsere Mitglieder bekommen von uns einen Milchpreis, der um etwa zwanzig Prozent höher ist als der, den sie sonst bekommen würden.“
Wie die Produktion in der Praxis aussieht, erklärt Stefanie Schipali, die Produktions- und Personalverantwortliche im Milchkandl, wie die der Genossenschaft gehörende Kleinmolkerei sich nennt: „Wir haben hier in Nöhagen auf dem Grundriss eines ehemaligen Kuhstalls eine Milchverarbeitungsstätte gebaut und bekommen die Milch direkt angeliefert.“
„Bei unserer Milch setzt sich eine Schicht Rahm ab, wie man es von früher kennt. Wenn die Leute sie probieren, sagen sie, sie schmeckt wie damals bei der Oma.“
Dort wird sie einerseits abgefüllt und andererseits zu Fruchtjoghurt, Topfen, Sauerrahm und anderen Milchprodukten verarbeitet, die dann unter anderem im anliegenden Selbstbedienungshofladen verkauft werden. „Bei unserer Milch setzt sich eine Schicht Rahm ab, wie man es von früher kennt. Wenn die Leute sie probieren, sagen sie, sie schmeckt wie damals bei der Oma“, sagt Stefanie. Das ist der schonenden Verarbeitung zu verdanken, die ohne Homogenisierung und großem Erhitzungsvorgang auskommt, sodass die Grundstruktur der Milch bestehen bleibt – Nährstoffe inklusive.
„Wir erzeugen einen Teil unserer Energie selbst, beziehen ansonsten Grünstrom und gewinnen den Rest der Energie über Pellets, die aus Hölzern aus der Gemeinde gemacht werden.“
Für eine Enkeltauglichkeit sei auch eine nachhaltige Produktion vonnöten. „Wir arbeiten möglichst CO₂-neutral, erzeugen einen Teil unserer Energie selbst, beziehen ansonsten Grünstrom und gewinnen den Rest der Energie über Pellets aus der Gemeinde“, sagt Andreas. Es werden so gut wie ausschließlich regionale Produkte verarbeitet, darunter auch viele Früchte wie Marillen oder Beeren aller Art.
Neo-Beerenbauer
Apropos Beeren: Als Genossenschaftsgründer muss auch Andreas landwirtschaftlich tätig sein, was er davor nicht war. Er entschied sich für ein Beerenobstfeld mit Himbeeren, Brombeeren, Erdbeeren, Aroniabeeren und Ribiseln, die dieses Jahr die ersten relevanten Ernten einbringen. Und dann unter anderem als Fruchtzubereitung ins Joghurt kommen. Ohne Aromastoffe, Stabilisatoren, Verdickungsmittel oder Farbstoffe und mit einem nur geringen Zuckeranteil aus Rohrohrzucker. „Wir verarbeiten hauptsächlich frisch. Die Erdbeeren zum Beispiel kommen derzeit großteils von einem Erdbeerfeld aus dem nördlichsten Waldviertel, wo sie erst im Juli reif werden. Sie schmecken intensiv und haben eine unglaubliche Farbe“, sagt Andreas.
Die Gastronomie in der Umgebung beliefert das Milchkandl ebenso. Wobei da noch viel Luft nach oben ist, wie Andreas findet. „Wir versuchen, mit den Gastronominnen und Gastronomen zu reden, aber letztlich haben sie oft zwei Argumente, nicht von uns zu beziehen: den Preis – der meiner Meinung nach aber nicht so entscheidend sein kann, wenn man bedenkt, dass man für fünf Kilo unseres Topfens drei Euro mehr zahlt als für einen heimischen Nicht-Bio-Topfen – und den logistischen Aufwand, also ein weiteres Unternehmen in die Buchhaltung aufnehmen zu müssen.“ Was ebenso vernachlässigbar erscheint: „Da könnte man ja genauso sagen, man verwendet ab sofort nur mehr Fertigprodukte, weil die weniger Arbeit machen.“
„Diese Quadratur des Kreises aus fair bezahlten Bäuer:innen und Mitarbeiter:innen, fairen Preisen für die Konsument:innen, Regionalität und Bio-Qualität zu schaffen, ist schwierig. Aber die Arbeit macht uns Spaß und wir sehen, dass wir langsam etwas verändern.“
Als kleine Genossenschaft hat man es nicht leicht, gegen den Goliath der industriellen Produktion und des Großhandels anzutreten. „Diese Quadratur des Kreises aus fair bezahlten Bäuer:innen und Mitarbeiter:innen, fairen Preisen für die Konsument:innen, Regionalität und Bio-Qualität zu schaffen, ist schwierig. Aber die Arbeit macht uns Spaß und wir sehen, dass wir langsam etwas verändern“, sagt Andreas.
Stefanie ergänzt: „Es ist schön zu sehen, dass man auch einen anderen Weg einschlagen kann, der funktioniert. Ein gutes Miteinander zu haben, in dem sich alle einbringen können. Naturbelassene Produkte herzustellen, die super angenommen werden: Hier sind alle froh, dass sie einfach zu Fuß zum Hofladen gehen können, um sich einen Liter Milch oder zwei Joghurts für das Frühstück zu holen.“