Vegan oder Fleisch essen: das ist ein regelrechter Glaubenskrieg geworden. In einer Zeit, in der Klimawandel, Tierwohl und Gesundheit zu den großen gesellschaftlichen Themen gehören, steht der Konsum von Fleisch zunehmend in der Kritik. Fleisch gilt als besonders klimaschädliches Lebensmittel und gleichzeitig ist zu viel Fleischkonsum, da sind sich Expertinnen und Experten einig, ungesund. Sollte man also besser ganz darauf verzichten? Die Antwort ist komplex und hat vor allem damit zu tun, wie wir in der modernen Welt Landwirtschaft betreiben.
Rülpsende Kühe als Klimasünder?
Es besteht kein Zweifel daran, dass Massentierhaltung, die den immer rasanter steigenden Fleischbedarf decken soll, mit einem beträchtlichen Methanausstoß durch die Wiederkäuer zum Klimawandel beiträgt. Ganz abgesehen davon, dass Massentierhaltung eine Qual ist und viele der Tiere krank macht, tragen Kühe also zur Verschlechterung der CO₂-Bilanz bei. So sind einer Studie des Institute for Agriculture and Trade Policy (IATP) und der Umweltorganisation GRAIN zufolge die fünf größten Fleisch- und Molkereikonzerne der Welt für mehr CO₂-Ausstoß verantwortlich als die größten Erdölkonzerne ExxonMobil, Shell und BP zusammen. Die Food and Agriculture Organisation (FAO) der UNO wiederum schätzt, dass die Viehzucht für 14,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Das Problem allein auf die Rülpser der Kühe zu schieben, greift aber zu kurz.
„Das ist der springende Punkt, wenn es um das Klima und industrielle Lebensmittel geht. Das Problem sind nicht die Kühe. Es ist das, was die Menschen mit den Kühen gemacht haben.“
So legt der amerikanische Mediziner Robert H. Lustig in seinem Buch „Metabolical“ dar, dass laut einer Studie der Nebraska Beef Production im Jahr 2014 89 Millionen Rinder 169 Milliarden Tonnen Methan erzeugten, was einem Durchschnitt von 1900 kg pro Tier entspricht. Im Jahr 1968 erzeugten 109 Millionen Kühe jedoch nur 40 Milliarden Tonnen Methan, was einem Durchschnitt von 366 kg pro Tier entspricht.
„Das ist der springende Punkt, wenn es um das Klima und industrielle Lebensmittel geht. Das Problem sind nicht die Kühe. Es ist das, was die Menschen mit den Kühen gemacht haben“, schreibt Lustig. Rinder auf traditionellen Bauernhöfen grasen, fressen Gras und stoßen Methan aus, aber ihr Kot werde als Dünger verwendet. „Die Kühe haben die richtige Menge an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sowie verzweigtkettige Aminosäuren, um ein rosafarbenes, homogenes, fettarmes Steak zu erhalten, das zwar teurer in der Aufzucht und im Einkauf ist, aber nicht zum menschlichen Metabolischen Syndrom beiträgt“, so Lustig.
„Die Evolution hat die Wiederkäuer mit einem Verdauungssystem ausgestattet, das ausschließlich für die Verdauung von Gräsern angelegt ist. In der modernen Tierhaltung werden aber Kraftfutter aus Soja und Mais gefüttert, um den Fleisch- und Milchertrag zu maximieren.“
Problematisches Kraftfutter statt Gras
Auch der Mediziner, Biologe und Autor Martin Grassberger sieht das Problem in der Massentierhaltung. „Die Kühe pauschal als Klimasünder hinzustellen, kommt der agrochemischen Industrie gelegen. Tatsache ist aber, dass die höchsten, durch die Landwirtschaft verursachten klimaschädlichen Emissionen nicht von Kühen verursacht werden, sondern durch Lachgas, das durch die Ausbringung von Stickstoff-Kunstdünger entsteht.“ Lachgas allein sei gut 300-mal klimaschädlicher als CO₂. Auch das Futter sei Teil des Problems.
„Die Evolution hat die Wiederkäuer mit einem Verdauungssystem ausgestattet, das ausschließlich für die Verdauung von Gräsern angelegt ist. In der modernen Tierhaltung werden aber Kraftfutter aus Soja und Mais gefüttert, um den Fleisch- und Milchertrag zu maximieren“, so Grassberger. Einerseits vertragen die Tiere dieses Futter schlechter und seien dadurch krankheitsanfälliger, und andererseits seien die Tiere so zum Nahrungskonkurrenten des Menschen geworden. Es geht also nicht so sehr um die Tiere, sondern vielmehr um die Art des Futters, den Bedarf an Düngemitteln und Antibiotika, die Verfügbarkeit von Weideland und die Nebenprodukte des Transports.
Gut für den Boden
Was immer noch nicht die Frage beantwortet, ob es dennoch besser wäre, gänzlich auf Tierzucht zu verzichten. Die Antwort darauf hat Grassberger: „Kühe verwerten das für den Menschen unverdauliche Gras und produzieren bei artgerechter Haltung gesundes Fleisch und hochwertige Milch, zudem sie verbessern dabei sogar die Qualität der Böden.“ Denn eine natürliche Weidehaltung, das sei mittlerweile gut belegt, fördere die Bodenfruchtbarkeit durch Steigerung des Bodenlebens, da durch das bessere Pflanzenwachstum auch reichlich CO₂ in den Wurzeln gespeichert werde. Aus ihnen und den abgestorbenen Mikroorganismen entstehe Humus. Und nicht zuletzt können Kühe, Schafe und Ziegen auch auf Flächen grasen, die für den Anbau von Getreide und Gemüse gar nicht geeignet sind, weil sie zu steil, zu kalt, zu karg oder zu nass sind.
Wertvoller Nährstofflieferant
Bleibt noch die Frage nach dem gesundheitlichen Aspekt von Fleisch: Ja, in Maßen genossen, ist Fleisch gesund. Es ist ein wertvoller Nährstofflieferant, reich an Protein, Eisen, Zink, Vitamin B12 und wichtigen Aminosäuren. Diese Nährstoffe sind für den menschlichen Körper essenziell. Ein zentraler Aspekt, wie gesund Fleisch ist, sind Herkunft und Produktionsweise.
„Wir müssen dazu übergehen, weniger, aber dafür hochqualitatives Fleisch und Milchprodukte aus ökologisch verantwortungsvoller Weidehaltung mit Bedachtnahme auf Tierwohl und Tiergesundheit zu konsumieren.“
Bio-Landwirtschaft, insbesondere nach Demeter-Richtlinien, legt großen Wert auf das Tierwohl und eine umweltfreundliche Produktion. Auf Demeter-Höfen haben die Tiere mehr Platz, erhalten Futter aus hofeigenem Anbau und werden nur in Ausnahmefällen mit Antibiotika behandelt. Zudem verzichten diese Betriebe auf potenziell gesundheitsschädliche Zusatzstoffe wie Nitrit-Pökelsalz und Konservierungsstoffe in der Verarbeitung von Fleisch. So zeigen Studien, dass Fleisch von Weidetieren einen höheren Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und weniger schädliche Fette enthält als Fleisch aus konventioneller Tierhaltung.
„Wir müssen dazu übergehen, weniger, aber dafür hochqualitatives Fleisch und Milchprodukte aus ökologisch verantwortungsvoller Weidehaltung mit Bedachtnahme auf Tierwohl und Tiergesundheit zu konsumieren“, fasst es Grassberger zusammen. Genau zu prüfen, wo das Fleisch herkommt, oder am besten gleich direkt bei den Bäuerinnen und Bauern zu kaufen, ist entscheidend, wenn man Fleisch genießen will, ohne dabei das schlechte Gewissen zu füttern.