Heinz Reitbauer, Küchenchef des weltbekannten Steirerecks, spricht im Podcast über die Verantwortung, die er als Gastronom trägt. Für ihn ist Kochen weit mehr als das Zubereiten von Speisen – es ist ein Ausdruck von Haltung. Diese Haltung zeigt sich in seiner konsequenten Entscheidung, auf regionale Produkte zu setzen, alte Sorten wiederzuentdecken und eine nachhaltige Zukunft für die Gastronomie mitzugestalten.
Ein Paradigmenwechsel in der Spitzengastronomie
„Wir haben auch eine Verpflichtung als Gastronomen und Unternehmer, hier einen Beitrag zu leisten,“ sagt Reitbauer gleich zu Beginn des Gesprächs mit Gaumen Hoch-Gründerin Alexandra Seyer-Gmeinbauer. Wo einst exklusive Importprodukte wie Kaviar oder Hummer als Ausdruck höchster kulinarischer Exzellenz galten, setzt Reitbauer zunehmend auf regionale Produkte und traditionelles Handwerk. Dabei geht es nicht um nostalgische Verklärung, sondern um eine zukunftsfähige, nachhaltige Form der Spitzengastronomie, die in der lokalen Landwirtschaft verwurzelt ist.
Diese Neuausrichtung war nicht immer einfach: „Manchmal haben mich meine Mitarbeiter gefragt: ‚Bist du sicher?‘ Aber mir war klar: Ich muss markante Entscheidungen treffen, die wahrgenommen werden.“ Die Abkehr von internationalen Luxusprodukten hin zu heimischen Alternativen wie Süßwasserfischen war ein bewusster Schritt, um die Identität seiner Küche zu schärfen.
Wenn der Saibling Wachs trägt
Ein Paradebeispiel für Reitbauers Philosophie ist sein ikonisches Gericht „Saibling im Bienenwachs“. Es entstand aus der Auseinandersetzung mit dem Bienensterben und zeigt, wie Kulinarik gesellschaftliche Themen aufgreifen kann. „Ohne Bienen gibt es nur ein sehr begrenztes Leben,“ sagt er. Der Fisch wird in biologischem Bienenwachs gegart, das nicht nur den Geschmack verfeinert, sondern auch den Kreislaufgedanken unterstreicht: „Nachdem das Wachs zwei Dutzend Mal verwendet wurde, bringen wir es zurück zum Imker.“ Mit Gerichten wie diesem macht er deutlich, dass Essen weit über den Teller hinausgeht – es ist ein Medium für seine Werte.
Die Wiederentdeckung alter Sorten
Reitbauer engagiert sich aktiv für den Erhalt der Sortenvielfalt in Österreich. „In Österreich gibt es über 2000 Apfelsorten, aber im Supermarkt sehen wir nur eine Handvoll,“ betont er. Mit Organisationen wie Arche Noah und dem Koch.Campus arbeitet er daran, alte Obst- und Gemüsesorten wieder auf die Teller zu bringen. Diese Vielfalt sei nicht nur ein kulinarischer Schatz, sondern auch essenziell für Ernährungssicherheit und Geschmack.
Kulinarik als Dialog
Für Reitbauer ist Essen Kommunikation: „Wenn Gäste zwei oder drei Stunden bei uns sitzen, haben wir die Möglichkeit, Themen wie Nachhaltigkeit oder die Herkunft unserer Produkte anzusprechen.“ Seine Gerichte erzählen Geschichten – von den Menschen hinter den Produkten bis hin zur Landschaft und den Jahreszeiten Österreichs.
Diese Geschichten sind auch eine Brücke zwischen Gastronomie und Landwirtschaft. Reitbauer sieht Köchinnen und Köche als Botschafter:innen:
„Wenn wir nicht mit den Bäuerinnen und Bauern ins Gespräch kommen und Feedback geben, werden wir in unserem Land nie Qualitäten aufbauen können.“
Diese enge Zusammenarbeit mit Produzent:innen ist für ihn essenziell – nicht nur für die Qualität seiner Gerichte, sondern auch für die Wertschöpfung in der regionalen Landwirtschaft.
Die Verantwortung der Gastronomie
„Wir setzen uns dafür ein, dass es eine vielfältige, nachhaltige Landwirtschaft und Gastronomie in diesem Land gibt,“ sagt Reitbauer. Für ihn ist klar: Die Verantwortung der Gastronomie endet nicht am Tellerrand. Sie beginnt bei den Produzent:innen, setzt sich in der Küche fort und erreicht ihren Höhepunkt im Dialog mit den Gästen.
Mit dieser Haltung prägt Heinz Reitbauer nicht nur das Steirereck, sondern setzt Maßstäbe für die gesamte Spitzengastronomie. Seine Gerichte sind mehr als kulinarische Meisterwerke – sie sind Statements für Nachhaltigkeit, Regionalität und Vielfalt. Und sie erinnern uns daran, dass wir alle eine Verpflichtung haben – gegenüber unserer Umwelt, unseren Mitmenschen und zukünftigen Generationen.