Gesund essen – das klingt für viele nach Disziplin oder Diät. Für Paul Ivíc bedeutet es weit mehr: Es ist ein Bekenntnis zum Leben. Der vielfach ausgezeichnete Spitzenkoch und Gastgeber der Wiener Restaurants TIAN und TIAN Bistro hat einen radikalen Wandel hinter sich. Was nach außen wie eine Erfolgskarriere aussah, endete für ihn in einem Burnout – körperlich und seelisch am Limit, ohne Zugang zu sich selbst und ohne Kraft, um weiterzumachen. Heute sagt er: „Ich war mir selbst nichts wert.“
„Ich habe weder auf meine Ernährung noch auf den Einkauf geachtet. Ich war einfach wertlos. Also ich war mir selber nichts wert.“
Ivíc und die neue Haltung
Doch genau diese Krise wurde zum Wendepunkt. In der tiefsten Erschöpfung begann Ivíc, sein Leben grundlegend zu hinterfragen. Er stellte seine Ernährung um, arbeitete an seinem Selbstbild – und entwickelte dabei eine neue, klare Haltung zu Genuss, Verantwortung und Selbstfürsorge. Was mit einer radikalen Ernährungsumstellung begann, wurde zur Philosophie: Essen ist für ihn heute kein bloßer Konsumakt mehr, sondern Ausdruck von Achtsamkeit – gegenüber dem eigenen Körper, der Umwelt und den Menschen, die Lebensmittel erzeugen.
Boden, Qualität, Biodiversität
Im Gespräch mit Gaumen Hoch-Herausgeberin und Podcast-Host Alexandra Seyer-Gmeinbauer spricht Ivíc offen über diesen persönlichen Prozess – und darüber, warum er heute kompromisslos auf Qualität setzt: nicht nur im Sinne von Geschmack, sondern im Sinne von Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität und ethischem Handeln.

Für ihn beginnt Qualität bereits dort, wo der Boden lebendig ist und Landwirtschaft zum Erhalt der Natur beiträgt. Konsequent hinterfragt er konventionelle Lieferketten, Zertifizierungen und Konsumgewohnheiten – und macht sich stark für Transparenz und echte Wertschätzung.
„Jede:r Gastronom:in trägt sehr viel Verantwortung für dieses Land.“
Genuss mit Verantwortung
Dabei geht es ihm nicht um Perfektion, sondern um Haltung. „Es lebe das Scheitern“, sagt Ivíc. Denn nur wer sich selbst reflektiert und weiterentwickelt, kann Verantwortung übernehmen – für sich selbst, für sein Team und für seine Gäste. In seinen Restaurants ist Nachhaltigkeit kein Marketinginstrument, sondern gelebte Praxis: von der Sortenvielfalt auf dem Teller bis zur respektvollen Zusammenarbeit mit Produzent:innen. Als erster Spitzenkoch setzte er einst auf vegetarische und vegane Küche, wurde zunächst von vielen Seiten belächelt und heute gefeiert. Vielfach ausgezeichnet, hat sich sein Weg durchgesetzt – unter anderem mit einem Michelin- sowie dem grünen Stern und Ende 2024 mit der „Gault&Millau Umwelt-Haube“.
Ernährungsbildung beginnt früh
Besonders deutlich wird sein gesellschaftliches Engagement, wenn er über Bildung spricht. Ivíc fordert: Gesunde Ernährung muss in Schulen und Kindergärten beginnen – frisch, bio, pflanzenbasiert und mit Geschmack. Denn Prävention beginne auf dem Teller. Kinder sollen lernen, dass gutes Essen kein Luxus ist, sondern ein Grundrecht. Und dass sie als Konsument:innen von morgen echte Entscheidungskraft haben – wenn sie frühzeitig befähigt werden.
Was Ivíc antreibt
Paul Ivíc ist nicht nur ein Koch mit Stern, sondern ein Koch mit Haltung. Einer, der sich nicht mit dem Status quo zufriedengibt, sondern aktiv gestaltet. Der über Herkunft und Produktionsweise ebenso klar spricht wie über Verantwortung und Genuss. Und der überzeugt ist: Wer gut isst, lebt nicht nur gesünder – sondern bewusster, empathischer und zukunftsfähiger. Mehr zu Ivícs Haltung hört ihr in unserer aktuellen Podcast-Folge.