33 Kilo. So viel Schweinefleisch essen Herr und Frau Österreicher durchschnittlich pro Jahr. Das ist mehr als dreimal so viel wie Rind- und Kalbfleisch, mehr als doppelt so viel wie Geflügelfleisch – und Achtung: mehr als 33-mal so viel wie Wildfleisch.
In Österreich wird pro Person nicht einmal ein Kilo Wildbret im Jahr konsumiert. Und das, obwohl es sich dabei um eine durch und durch nachhaltige Form des Fleischessens handelt. Denn unsere heimischen Wildtiere ernähren sich ganz natürlich von dem, was der Wald hergibt, während Jägerinnen und Jäger wiederum mit jedem Abschuss dazu beitragen, dass der Wald im ökologischen Gleichgewicht bleibt.
Zum Wildbret gehören nicht nur etwa der Rehbock, die Wildente oder das Rebhuhn. Sondern auch das Wildschwein. Und dieses hat, wie wir gleich sehen werden, mit den klassischen Hausschweinerassen wie Duroc oder Mangalitza erstaunlich wenig gemein.
Dass in Österreich so wenig Wildschweinfleisch gegessen wird, ist eigentlich verwunderlich. Denn die Wildschweinpopulation ist hierzulande in den letzten Jahren stark gestiegen. Wie viel es österreichweit gibt, weiß niemand so genau. Doch wie viel erlegt worden sind sehr wohl: Waren es 1990 noch 13.000, sind es heute über 50.000 – Tendenz steigend.
Grund dafür wohl der Klimawandel: Durch die milderen Winter dehnt sich das natürliche Habitat des Schwarzwilds in höhere Lagen aus, und auch in Sachen Futter können Wildschweine dadurch länger aus dem Vollen schöpfen. Kein Wunder also, dass Wildschweine im Gegensatz zu vielen anderen Wildarten ganzjährig bejagbar sind – und in dem Sinne auch 365 Tage im Jahr Saison haben.
Fest steht: Eine nachhaltige Fleischernährung kommt in Zukunft nicht um das Wildschwein herum. Höchste Zeit also, den Fragen nachzugehen: Wie schmeckt es? Was ist der Unterschied zum Hauschwein-Fleisch? Und worauf muss man bei der Zubereitung von Wildschweinefleisch achten?
Das steckt im Wildschwein
Wildschweinfleisch ist um ein Vielfaches magerer als Schweinefleisch, obendrein cholesterinarm – und mit über 30 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm (je nach Cut) eine echte Eiweißbombe. Auch die Vitamine B1 und B2 sind in hohen Mengen vorhanden, genauso wie die wichtigen Mineralstoffe Phosphor, Kalium und Magnesium. Mit Eisen, Zink und Selen wartet das Fleisch des Schwarzwilds außerdem mit wichtigen Spurenelementen auf.
Weibliche Wildschweine haben das Sagen
Der wohl größte Unterschied zwischen Haus- und Wildschwein ist ihr Gewicht. Während die in Österreich so beliebten Hausschweinerassen wie das Edelschwein, Duroc oder Pietrain Schlachtgewichte von bis zu 220 Kilogramm auf die Waage bringen, wiegt ein erwachsenes Wildschwein maximal 170 Kilogramm. Wobei es sich dabei um das männliche Wildschwein handelt, den sogenannten Keiler. Das weibliche Wildschwein, die Bache, wird in der Regel lediglich rund 125 Kilogramm schwer.
In der sogenannten Rotte – so nennt man das Wildschweinrudel – hat immer eine Leitbache das Sagen. Dabei handelt es sich in der Regel um die älteste unter den Bachen. Sie bestimmt, wohin sich die Rotte fortbewegt, wo nach Nahrung gesucht wird und sogar, wann es mit der Rauschzeit, also der Paarungszeit, losgeht. Nur während eben dieser Rauschzeit – die meist zwischen November und Februar stattfindet – werden die Keiler in der Rotte geduldet. Ansonsten heißt es: Bitte Abstand halten, wir brauchen euch nicht.
Was tun, wenn ich einem Wildschwein begegne?
Wildschweine gelten zwar nicht als sonderlich aggressiv gegenüber uns Menschen. Doch gerade in den Monaten, in denen die Bachen ihre Jungen aufziehen, sollten wir Menschen vorsichtig sein, wenn wir einer Rotte begegnen. Das gilt vor allem für die Frühjahrsmonate März, April, Mai und Juni. Nähern wir uns zu sehr und schnell einer Rotte, könnten Bachen das instinktiv als Gefahr für ihre Frischlinge interpretieren. Mit ihren spitzen (Eck-)Zähnen neigen sie dazu, unsere Beine zu attackieren, was zu schweren Verletzungen führen kann. Ganz wichtig: Bei jeder Begegnung so viel Abstand wie möglich halten, keinen Lärm machen, ruckartige Bewegungen vermeiden, und sich auf gekennzeichneten Wegen langsam zurückziehen. Auch Hunde sind in dieser Zeit unbedingt an der Leine zu halten.
Die Unterschiede zwischen Hausschwein und Wildschwein
Wildschweine sind nicht nur leichter als Hausschweine, ihr Fleisch ist auch magerer. Klar, sie bewegen sich viel mehr, werden nicht mit Getreide und Hülsenfrüchten gemästet, sondern ernähren sich von dem, was sie im Wald so finden: Gräser, Pilze, Kräuter, Früchte, Würmer.
Ein weiterer Unterschied zum Hausschweinefleisch ist die Farbe: Das von Wildschweinen ist deutlich dunkler. Meistens weist es einen dunkelroten Farbton auf, wobei mit zunehmendem Alter dieser Farbton immer intensiver wird. Besonders deutlich wird das beim Bauch: Während Hausschweinerassen dort zentimeterbreite Fettschichten vorweisen, die zwischen Fell und dem hellen Bauchfleisch liegen, kann ein Wildschweinbauch durchaus nur aus ein paar Millimetern dunkelrotem Magerfleisch bestehen. Aufschlussreich ist auch ein Vergleich der Schulter. Daraus kann ein mehr oder weniger versierter Metzger bei einem Hausschwein das Bugblatt oder auch das falsche Filet schneiden. Von den meisten Wildschweinschultern jedoch lassen sich nur schwer solche Einzelcuts gewinnen, weil sie dafür zu wenig Masse haben.
Und doch: Aus einem Wildschwein lässt sich allerhand machen. Dafür sollte man es aber am besten nicht als Schwein begreifen – sondern als das, was es ja eigentlich ist: Wild.
Was man aus dem Wildschwein machen kann
Das magere Bauchfleisch eignet sich hervorragend, um Schinken herzustellen – leicht geräuchert schmeckt es oft am besten. Oder nehmen wir den Rücken: Diesen kann man am Knochen im Ofen braten, ähnlich wie den Rehrücken. Die ausgelösten Kotelette-Stücke oder Steaks lassen sich natürlich auch gut in der Pfanne rösten. Von der Keule wiederum lassen sich Schnitzelstücke schneiden. Als Naturschnitzel angebraten, schmecken sie mit einer herzhaften Pfeffersauce schlichtweg großartig!
Besonders beliebt ist das Hüft- und Schulterfleisch des Wildschweins außerdem für Ragouts und Eintöpfe. Auch Wildschweingulasch schmeckt hervorragend. Dass Schmorgerichte aus Wildschweinfleisch so beliebt sind, hat einen einfachen Grund: Das Fleisch bleibt, obwohl es schnell trocken schmecken kann, durch die sämige Flüssigkeit saftig. Beim Anbraten oder Ofengaren jedoch muss man genau darauf achten, dass es stets rosa bleibt. Ansonsten trocknet es erstaunlich schnell aus – und macht so gar keine Freude mehr. Es lohnt sich also, jenseits von Ragout, Gulasch und Eintopf ein wachsames Auge auf das noch viel zu unterschätzte Wildschweinfleisch zu haben. Nicht nur unserer Geschmacksknospen – sondern auch dem Klima zuliebe.