Ein Traditionsgasthaus im Wandel: Wirt Martin Pichlmaier über Mut zu Bio

Martin Pichlmaier spricht im Gaumen Hoch-Podcast über Mut, gestiegene Preise, Tierwohl und neue Gäste-Erwartungen.
Pichlmaiers Podcast
© Gaumen Hoch

Was passiert, wenn ein Wiener Traditionswirtshaus auf Bio umstellt? Martin Pichlmaier, Wirt im legendären Pichlmaiers zum Herkner, spricht im Gaumen Hoch-Podcast offen über Hürden und Überzeugungen – und darüber, wie sich ein Wirtshaus im Spannungsfeld zwischen Herkunft, Handwerk und neuen Ansprüchen behauptet.

„Gastronomie wurde mir in die Wiege gelegt“

Martin Pichlmaier ist Gastgeber mit Leib und Seele: „Ich habe die Küche gehasst. Ich bin auch der einzige nicht gelernte Koch in meiner Familie. Mittlerweile liebe ich es, zu Hause zu kochen, aber es war immer die Gastgeberrolle, in der ich mich wohlgefühlt habe.“ Den Gästekontakt genießt er seit frühester Kindheit. „Ich bin aufgewachsen bei meinen Eltern in Graz, oben war das Wohnhaus und unten das Restaurant“, erzählt er.

„Den ständigen Gästekontakt liebe und brauche ich bis heute.“
Martin Pichlmaier

Schon Martins Eltern setzten in den 1970er und -80er Jahren auf gehobene Küche und hochwertige Produkte – eine Haltung, die ihn prägte. Früh lernte er, dass Qualität und Authentizität wichtiger sind als Trends: „Es war eine tolle Aufbruchsstimmung, weil wir einfach das erste Mal die vielen internationalen Einflüsse wahrgenommen haben. Das habe ich in der Pubertät und Kindheit hautnah miterleben dürfen.“

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Pichlmaiers Podcast
Christiane und Martin Pichlmaier empfingen Host Alexandra Seyer-Gmeinbauer zur Podcastaufnahme in ihrem Pichlmaiers zum Herkner.

Nach Stationen in Graz und Wien – unter anderem zwölf Jahre im renommierten „Fabios“ – entschied er sich doch für die Selbstständigkeit: „Ich habe eigentlich geschworen, nie selbstständig zu werden. Aber irgendwann war der Punkt erreicht, an dem ich die Entscheidungen selbst treffen und Verantwortung übernehmen wollte.“ Gemeinsam mit seiner Frau Christiane, die ebenfalls aus der Hotellerie stammt, führt er heute das „Pichlmaiers zum Herkner“ – mit dem Anspruch, Tradition und Moderne, Regionalität und Weltoffenheit, Handwerk und Herzlichkeit zu verbinden.

Von der Tradition zur Transformation

Das „Pichlmaiers zum Herkner“ steht für Wiener Wirtshauskultur mit Geschichte – aber auch für konsequenten Wandel. Anfangs setzte Martin Pichlmaier auf eine streng heimische Linie: „Wir haben gesagt, wir verarbeiten keine Avocado, keine Garnelen, keinen Meeresfisch und konzentrieren uns auf österreichische Produkte.“ Die Küchenlinie entwickelte sich unter Koch Roman Artner jedoch maßgeblich weiter. Artner bringt nicht nur handwerkliches Können und Liebe zu saisonalen, regionalen Produkten ein, sondern öffnet das Wirtshaus auch für internationale Einflüsse und kreative Gerichte. 

„Der Lockdown hat uns zum Umdenken gebracht, was internationale Küche angeht. Für die Küche ist es auch schöner, mit anderen Produkten zu arbeiten. Ich bin sehr froh, dass wir nicht mehr nur rein Österreichisch, sondern auch mit internationalen Einflüssen kochen.“
Martin Pichlmaier

So verbindet das Wirtshaus heute Tradition mit Innovation: Klassiker wie Schnitzel und Tafelspitz stehen ebenso auf der Karte wie vegetarische und mediterran inspirierte Gerichte – stets mit Fokus auf Qualität, Nachhaltigkeit und die Handschrift von Roman Artner.

Der Schritt zu mehr Bio: Mut, Zweifel, Realität

Die Bio-Umstellung im „Pichlmaiers zum Herkner“ bezieht sich vor allem auf tierische Produkte, die auf der Speisekarte heute fast vollständig in Bio-Qualität angeboten werden. Für Martin Pichlmaier steht dabei das Tierwohl an erster Stelle – nicht als Marketinggag, sondern aus echter Überzeugung und wachsendem Verantwortungsbewusstsein.

„Ich bin kein heiliger Samariter, was das Thema Fleisch angeht. Aber mein Hauptthema ist das Tierwohl. Das steht immer an erster Stelle.“
Martin Pichlmaier

Seine Motivation speist sich aus persönlichem Wandel, gesellschaftlicher Diskussion und dem Wunsch nach Transparenz und Qualität für seine Gäste. Die Umstellung war allerdings mit Unsicherheiten verbunden:

„Ich habe Angst vor der Umstellung auf Bio gehabt. Mittlerweile wurde mir diese komplett genommen und wir sind sehr froh, dass wir fast alle tierischen Produkte auf der Speisekarte zu 100 % umgestellt haben.“
Martin Pichlmaier

Die servierten Speisen im Podcast

Wie in allen unseren Podcastfolgen findet das Gespräch nicht nur in einem unserer Mitgliedsbetriebe statt, sondern es wird auch ein Gericht serviert, das für verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln steht. Im Wiener „Pichlmaiers zum Herkner“ entschied sich Küchenchef Roman Artner für ein vegetarisches, saisonales Signature-Gericht: Quinoa-Salat mit Schwarzwurzel, Knusper, romanisiertem Rhabarber und Mandarine. Das Gericht steht für die neue Leichtigkeit und Experimentierfreude im Traditionswirtshaus – Regionalität trifft auf internationale Einflüsse, vegetarische Küche wird zum Erlebnis für Stammgäste wie für Neugierige. Außerdem serviert wurde ein klassisches Wiener Schnitzel mit Bio-Kalbfleisch.

Vor allem beim Kalbfleisch zeigte sich, wie schwierig Bio-Beschaffung sein kann: „Die Verfügbarkeit ist nicht da“, schildert Pichlmaier. Oft war zwar österreichisches Kalbfleisch erhältlich, aber nicht in Bio-Qualität. Das machte die vollständige Umstellung besonders herausfordernd.

Die magische 30

Die Umstellung auf Bio brachte spürbare Preissteigerungen mit – nicht nur beim Fleisch, sondern auch bei Butter, Mehl und Eiern: „Wir reden hier von 30 bis 40 Prozent bei Milchprodukten, bei Butter um 50 Prozent und bei Mehl um satte 300 Prozent. Am Ende muss die Rechnung als Gastronom:in aufgehen.“ Besonders beim Schnitzel bedeutete das, erstmals die „magische 30-Euro-Grenze“ für ein Hauptgericht zu überschreiten – eine Schwelle, vor der Pichlmaier anfangs großen Respekt hatte. Trotz dieser Sorgen wurde der Schritt von den Gästen überwiegend positiv aufgenommen. Pichlmaier bleibt dennoch realistisch: „Es kann sich nicht jede Familie jede Woche leisten. Wir haben das Glück, dass wir eine Klientel gefunden haben, das sagt: Wir nehmen das gerne an, da ist Arbeit dahinter.“

Verantwortung, Wissen und die Rolle des Gastgebers

© Gaumen Hoch
Martin Pichlmaier Podcast

Für Pichlmaier ist Gastronomie mehr als nur Kochen: „Der Gastronom hat ja vielfältige Rollen, er ist Gastgeber, er ist Arbeitgeber, er ist Wissensvermittler. Und ich glaube, an unserem Beispiel sieht man total gut, wie man das auch ausschöpfen kann.“ Seine Vision: Ein Lokal, das sich weiterentwickelt, aber seinen Wurzeln treu bleibt – und Verantwortung für Qualität, Tierwohl und Transparenz übernimmt.

„Nicht stehenbleiben, das ist ganz wichtig.“
Martin Pichlmaier

Das Beispiel von „Pichlmaiers zum Herkner“ zeigt: Der Weg zu mehr Bio und Nachhaltigkeit in der Gastronomie ist möglich, aber voller Herausforderungen – von der Beschaffung über die Preisgestaltung bis zur Gästekommunikation.

Es braucht Mut, Offenheit und ein Bewusstsein für Verantwortung. Oder, wie Martin Pichlmaier es selbst formuliert: „Nicht stehenbleiben, das ist ganz wichtig.“

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