Laut Statistik Austria lag der Fleischkonsum 2024 bei 58 kg pro Kopf, deutlich weniger als noch vor einem Jahrzehnt (rund 68 kg). Gleichzeitig sagen laut EU-weiter ProVeg–Umfrage über 50 % aller Befragten, dass sie ihren Fleischkonsum bewusst reduziert haben.
Wer nur selten Fleisch isst, möchte oft genau wissen, wie ein Tier gelebt hat, wie sorgfältig Prozesse gestaltet sind und welche Faktoren Qualität tatsächlich beeinflussen. Denn viele der entscheidenden Kriterien sind unsichtbar, haben aber großen Einfluss darauf, ob Fleisch aus einer verantwortungsvollen Tierhaltung stammt.
Doch wie erkennt man gutes Fleisch überhaupt? Österreichweit gibt es nur wenige Betriebe, die Fleisch vollständig bio, transparent und mit hoher handwerklicher Qualität verarbeiten. Einer davon: Juffinger, die erste reine Bio-Metzgerei im Westen Österreichs. Im Gaumen Hoch Podcast erkären die Betreiber:innen Helga und Anton Juffinger, woran Kund:innen gutes Fleisch erkennen – und warum viele der entscheidenden Faktoren auf den ersten Blick nicht sichtbar sind.






Was ist ein:e Fleischsommelier:in?
Eine Fleischsommelier:in ist eine spezialisierte Fachperson, die sich intensiv mit Fleischkunde, Reifung, Tierhaltung, Fleischqualität, Sensorik und internationalen Standards auseinandersetzt. Die Ausbildung umfasst u. a. Schnittführung, Marmorierung, Reifemethoden, Stressfaktoren, Geschmacksentwicklung und globale Produktionssysteme – vom alpinen Weiderind bis zu industriellen Modellen in den USA, Australien oder Italien.
„Ich hab meinen Diplom Fleischsommelier in Innsbruck gemacht. Da bekommst du einen Einblick, wie Fleisch auf der ganzen Welt erzeugt wird und kannst deinen Horizont und deine Sensorik erweitern.“
Fleischsommelier:innen können Fleisch sensorisch beurteilen, Qualitätsunterschiede erklären und Produktionsbedingungen kritisch einordnen. Ihr Ziel: Wissen vermitteln, Missverständnisse ausräumen und Konsument:innen zeigen, woran echte Qualität erkennbar ist – jenseits von Marketingbegriffen.
1. Langsame Reife, klare Effekte
Die physiologische Entwicklung eines Tieres hängt von Fütterung, Bewegung, Genetik und Zeit ab. Tiere, die langsam wachsen und ein höheres Schlachtalter erreichen, weisen typischerweise:
- eine feiner ausgebildete Muskelfaserstruktur,
- eine stabilere Gewebematrix und
- eine höhere Wahrscheinlichkeit für intramuskuläre Fetteinlagerung
auf. Diese langsame Entwicklung steht im Gegensatz zu intensiven Systemen, in denen Tiere in sehr kurzer Zeit stark an Gewicht zunehmen. Der Reifegrad des Muskelgewebes beeinflusst spätere sensorische Parameter wie Zartheit und Saftigkeit.
„Die Basis für unsere Qualität sind Bäuerinnen und Bauern, die Rinder und Schweine artgerecht mit entsprechendem Auslauf und einer hundertprozentigen Bio-Fütterung halten und sie länger hegen und pflegen.“
2. Marmorierung: Das feine Fett, das man schmeckt
Intramuskuläres Fett entsteht im Verlauf des Wachstums und ist ein Indikator für:
- Aromaentwicklung (viele Aromastoffe sind fettlöslich).
- Zartheit (durch verminderte Faserdichte),
- Saftigkeit (Fett schmilzt beim Erhitzen) und
„Das intramuskuläre Fett ist letztendlich der Geschmacksträger.“
Wissenschaftlich ist gut dokumentiert, dass Tiere, die ausreichend alt werden und nicht auf maximale Mastleistung gezüchtet oder gefüttert sind, tendenziell eine ausgeprägtere Marmorierung aufweisen.

3. Einfluss von Stress auf die Fleischqualität
Stress führt im Organismus des Tieres zur Ausschüttung von Stresshormonen und beeinflusst die Energiereserven des Muskels. Ein erhöhter metabolischer Stress vor der Schlachtung kann zu:
- verminderter Wasserhaltefähigkeit,
- verfrühter Glykogenverarmung,
- zäherer Textur und
- reduzierter sensorischer Qualität
führen.
„Du kannst drei Jahre ein Tier halten und in einer Stunde ist alles kaputt – durch Stress.“
Biologische Betriebe versuchen, Stressfaktoren zu minimieren, z. B. durch kurze Transportwege, ruhige Treibmethoden und bauliche Maßnahmen zur Reizarme.

4. Natürliche Aromatik statt Extrakte

In industriellen Prozessen kommen häufig Extrakte, Aromastoffe oder technologisch funktionale Zusatzstoffe zum Einsatz. In handwerklichen Bio-Systemen wird eher mit Naturgewürzen und reduzierten Zutatenlisten gearbeitet.
„Wenn die Leute unsere Frankfurter ohne Zusätze gegessen haben, haben sie gesagt: Das schmeckt nicht wie eine Frankfurter.“
Aus ernährungs- wie verarbeitungstechnischer Sicht ermöglicht eine schlanke Rezeptur eine bessere Einschätzung der tatsächlichen Qualität der Rohstoffe.
5. Ganzheitliche Nutzung des Tieres (Nose-to-Tail)
Bei der Verarbeitung eines Tieres entstehen verschiedene Teilstücke mit unterschiedlichen Eigenschaften. Eine ganzheitliche Nutzung (Nose-to-Tail) ist:
- handwerklich anspruchsvoll
- ressourcenschonender,
- ökologisch vorteilhaft,
und verhindert eine Konzentration auf wenige Standardzuschnitte.
„Viele schreiben sich Nose to Tail auf die Fahnen – aber oft hört’s beim Filet auf. Wir machen das wirklich.“
Aus wissenschaftlicher Perspektive trägt diese Nutzung zu einer besseren Gesamtbilanz der tierischen Erzeugung bei.

6. Wie Reifung Textur und Aroma verändert
Nach der Schlachtung setzt ein natürlicher enzymatischer Abbau im Muskel ein. Dieser Reifeprozess verbessert:
- Brateigenschaften.
- Zartheit (Proteolyse),
- Aromaentwicklung,
- Saftigkeit und
„Wir reifen das Rindfleisch und spezifizieren es dann individuell […] Reifung macht das Fleisch zarter und saftiger.“
In industriellen Systemen wird dieser Schritt aus Effizienzgründen häufig verkürzt. Reifung ist jedoch ein stabiler wissenschaftlicher Qualitätsparameter.

Schweinefleisch-Steaks mit Rippen (erhältlich bei: Bio-Schober, Thunau am Kamp 10, 3571 Gars am Kamp). So geht Schwein: Dieser Cut schmeckt in seiner Komplexität leicht süßlich, aber auch herzhaft-kräftig und saftig, da das Fleisch durch die Rippen mehr Fett und Bindegewebe enthält. Einsatz in der Küche: Beim Braten oder Grillen entwickeln sich nussige, leicht karamellisierte Aromen, während das Fleisch innen zart bleibt. Das natürliche Fleischfett schreit zwar nach Marinaden oder Gewürzen – aber in dieserQualität schmeckt es natürlich auch ohne.
Checkliste: Woran man gutes Fleisch erkennt
Beim Kauf
- feine, gleichmäßige Marmorierung
- klare Herkunftsangaben
- Bio-Zertifizierung oder streng kontrollierte Standards
- keine sichtbare Flüssigkeitsabgabe
- kurze Zutatenlisten bei verarbeiteten Produkten
Beim Kochen
- Fleisch bleibt saftig, zieht sich nicht massiv zusammen
- Kein übermäßiger Flüssigkeitsverlust („Bratwasser“)
- Natürlicher Duft, keine künstlichen Aromen
Mehr erfahren?
Im Podcast erklärt Fleischsommelier Anton Juffinger, worauf Profis achten – und warum echte Qualität immer bei der Haltung beginnt.


















