Leichter Nebel schwebt über der spiegelglatten Wasseroberfläche. Das Schilf rauscht leise, aus den üppigen Baumkronen zwitschern die ersten Vögel. Es ist ein erhabenes Naturschauspiel, das sich da frühmorgens den Besucher:innen des Haslauer Teiches bietet. Und doch: Dass man es mit etwas weltweit Einzigartigem zu tun hat, erkennt man mit bloßem Auge nicht. Denn hier, etwas außerhalb des beschaulichen Ortes Haslau im Waldviertel, dehnt sich auf rund 60 Hektar die weltweit einzige Demeter-zertifizierte Teichwirtschaft für Karpfen vor einem aus.
„Der Karpfen ist für mich der nachhaltigste Bio-Fisch schlechthin!“
Seit dem Jahr 2000 ist der gebürtige Bayer Pächter dieser Teichwirtschaft – und gleichzeitig vieles mehr: Ein Vordenker, der in den 1990er-Jahren als Erster in Europa die Rahmenbedingungen für biologische Fischzucht erarbeitet hat. Und eine Koryphäe, die das Image des Karpfens in Österreich geradezu revolutioniert hat. Ja, dass der Karpfen heute seinen Platz in der österreichischen Spitzengastronomie hat, ist zu einem guten Teil Mößmer zu verdanken. Wie hat das alles begonnen? Warum widmet Mößmer sein Tun ausgerechnet dem Karpfen? Und was ist das genau, eine biodynamische Fischzucht?
5 Fakten zum Karpfen
- Karpfen können bis zu 50 Jahre alt werden – und sage und schreibe 40 Kilo schwer.
- Es gibt über 20 verschiedene Arten von Karpfen: Neben dem Gemeinen Karpfen sind hierzulande etwa auch der Spiegel- und der Schuppenkarpfen weit verbreitet.
- Karpfen leben nicht nur in Teichen, sondern auch in Flüssen und Seen.
- Im Gegensatz zu vielen anderen Fischen sind sie sehr anpassungsfähig – auch hinsichtlich der Wassertemperaturen. So können sie sogar in eisigem Wasser überleben.
- Karpfen können mit den Kiemen knirschen – und erzeugen damit, meist in Stresssituationen, ein Grunzen.
Kohlenhydrate fürs Klima
Sein ganzes Berufsleben hat Mößmer schon mit Fischzucht zu tun. Nach einer Fischwirtschaftslehre in seiner bayerischen Heimat ging er an die Universität für Bodenkultur nach Wien. Dort studierte er Landwirtschaft mit Schwerpunkt – richtig – Fischerei. „Schon damals hat mich der Karpfen am meisten fasziniert“, erinnert sich Mößmer. Warum? „Weil ich mich schon früh für Bio-Fischzucht interessiert habe und feststellen musste, dass Raubfische wie die Forelle beispielsweise selbst im Bio-Segment weit weg von einer natürlichen Nahrungsgrundlage gehalten werden. Der Karpfen hingegen ist für mich der nachhaltige Bio-Fisch schlechthin!“
„Die ganzen Raubfische, von denen wir alle viel zu viel essen, haben einen 20 Mal so großen CO2-Rucksack als der Karpfen.“
Tatsächlich gilt der Karpfen heute als nachhaltigster Speisefisch überhaupt. Das liegt auch daran, dass er im Gegensatz zu Raubfischen Kohlenhydrate verwerten kann – und damit nicht mit Eiweißbomben wie Fischmehl zugefüttert werden muss. „Ganz gleich, ob Dorade, Lachs, Forelle oder Saibling – die ganzen Raubfische, von denen wir alle viel zu viel essen, haben einen 20 Mal so großen CO2-Rucksack als der Karpfen“, erklärt Mößmer. „Und zwar deswegen, weil sie unheimlich viel Proteine brauchen. Ein Raubfisch – auch Hecht, Wels oder Zander im Karpfenteich braucht zehn Kilogramm Futterfische, um ein Kilo zuzunehmen. Wenn der Fischmehl-Import nach Österreich ausfallen würde, dann wäre ein Großteil der Raubfischproduktion in Österreich nicht mehr möglich.“
Was der Karpfen frisst
Beim Karpfen verhält es sich anders: Er ernährt sich vorwiegend von proteinreichem Plankton, Insektenlarven, Schnecken, Muscheln und Detritus. Davon gibt es im Haslauer Teich mehr als genug. „Plankton besteht aus Omega-3-Fettsäuren und Eiweiß, das der Körper des Karpfens aber am besten umsetzt, wenn er zusätzlich noch Kohlenhydrate zu sich nimmt“, erklärt Mößmer. „Er bekommt das in Form von hochwertigem Bio-Getreide, das wir in sehr geringen Mengen zufüttern. Als Allesfresser mit einem langen Darm kann er das gut verwerten.“ Was aber unterscheidet die Karpfen im Haslauer Teich zu anderen Bio-Karpfen? Oder anders gefragt: Was macht sie zu Demeter-Karpfen?
„Wasser speichert Informationen. Und diese Information kann es auch weitergeben – bis zu den Fischen“
Zum einen die für die Demeter-Landwirtschaft so entscheidenden Präparate. „Wir geben diese über das Schilf, über die Bäume und alle Pflanzen am Teichrand, damit die Impulse der Präparate in den Boden kommen. Und über das Wasser ist sowieso das gesamte Ökosystem miteinander vernetzt. Wir wissen, Wasser speichert Informationen. Und diese Information kann es auch weitergeben – bis zu den Fischen“, erklärt Mößmer.
Viele Fische im Teich
Womit er einen weiteren wichtigen Punkt anspricht: Als biodynamische Landwirtschaft ist der Haslauer Teich keine Monokultur. Es leben also nicht nur Karpfen in dem Teich, sondern auch Rotaugen, Rotfedern, Schleien, Barsche, Zander und sogar ein paar Hechte und Welse.
Das klingt nach einem ziemlich vollen Teich – doch die Besatzdichte ist mit konventionellen Teichwirtschaften nicht zu vergleichen: Etwa 20 Quadratmeter hat hier jeder Karpfen für sich. Dass sich Krankheiten auf den gesamten Besatz ausbreiten, ist damit eher unwahrscheinlich – und überhaupt: Die Fische können sich auf die eigenen Naturkräfte des Teichs verlassen, ohne dass von außen viel eingegriffen werden muss.
Mit klarem Wasser und ohne Gräten
Dennoch geht es jeden Oktober ans Abfischen. Mit rund vier Jahren haben die Karpfen ihr ideales Speisefisch-Gewicht von rund zwei bis drei Kilogramm erreicht – und kommen in die nur wenige Meter vom Hauptteich entfernten Klarwasserteiche. Bis zu sechs Monate befinden sich die Karpfen in diesem gerade mal zweieinhalb Hektar großen Teich – und „wässern aus“, wie Mößmer das nennt: „Dadurch verliert ihr Fleisch in dieser Zeit den möglicherweise erdigen Geschmack.“ Danach werden die Fische in die eigene Manufaktur nach Wien transportiert. Dort verbringen sie rund eine Woche in Becken mit Hochquellwasser. „Da haben sie es ruhig und dunkel. Dadurch können sie sich vom Transportstress erholen“, sagt Mößmer.
„Bis der Karpfen den kulinarischen Status der Raubfische erlangt haben wird, bleibt noch viel zu tun.“
Der Gastronomie liefert Mößmer den Karpfen in Form von Filets. „Die uralte Technik des Schröpfens, also des Entfernens der Gräten durch gezielte Einschnitte, hat uns in den vergangenen Jahren enorm geholfen, den Karpfen beliebter zu machen“, sagt Mößmer. „Niemand will beim Essen mit Gräten herumhantieren – schon gar nicht im Restaurant!“ Und doch: „Bis der Karpfen den kulinarischen Status der Raubfische erlangt haben wird, bleibt noch viel zu tun.“ Für Mößmer heißt das vor allem: Weiter Überzeugungsarbeit leisten. Auch und vor allem mit der Gastronomie. Denn dort wird sich dieser nachhaltigste aller Speisefische weiterhin von seiner schönsten Seite zeigen.