Beim Begriff Biohof knüpft sich im Kopf automatisch eine Assoziationskette, die aus den Attributen klein, lieblich und überschaubar besteht. Damit liegt man oft richtig, manchmal aber auch richtig weit daneben – wie beim Biohof Anzböck im niederösterreichischen Zissersdorf.
Hier werden 350 Hektar Anbaufläche bewirtschaftet und jedes Jahr 3.500 Tonnen Kartoffeln aus dem Boden geholt – das sind ungefähr 27 Millionen Stück. Eine Menge, die auch benötigt wird, um eine Großhandelskette, Gastronomiebetriebe und Großküchen mit Cateringservice für Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser mit erstklassiger, auch bereits geschnittener und vorgegarter Bio-Ware beliefern zu können.
„Man hört ja immer wieder die Stimmen, die behaupten, es wäre nicht möglich, die Welt biologisch zu ernähren. Da wollen wir dagegenhalten und mit unserem Betrieb zeigen, dass das sehr wohl geht“, sagt Christian Anzböck, der den Hof in diesem Jahr von seinem gleichnamigen Vater übernehmen wird. Der Senior hatte schon 1994 die Weichen auf Bio gestellt und sich und den Betrieb fit für diese Art der Bewirtschaftung gemacht. Basierend auf der Überzeugung, dass man Natur nicht einfach ausbeuten darf, sondern ihr auf der Basis von Geben und Nehmen auch etwas zurückgeben muss. Deshalb hat er schon früh begonnen, die weitläufigen Flächen mit Hecken zu bepflanzen und so für eine diversere Vegetation zu sorgen.
„Bei der Größe unseres Betriebes muss man als Bio-Landwirt manchmal jeden Trick aus der Kiste holen und ganz schön auf Zack sein, weil jedes Jahr seine Herausforderungen mitbringt.“
Nachhaltig vom Dach bis zum Fußboden
Auch Christian junior hat ein philosophisches Unterfutter, das weit darüber hinaus geht, mit viel Ware viel Geld zu verdienen: „Unser Anspruch ist eine super Qualität mit guten Erträgen, weil ich mich schon als jemand verstehe, der seinen Teil zur Ernährungssicherheit der Menschen beitragen will – auch wenn es einmal schwierige Verhältnisse gibt.“ Verhältnisse, die gerade in jüngster Zeit durch hohe Energiepreise und Düngemittelknappheit auch die Landwirtschaft hart getroffen haben.
Da haben die Anzböcks aber vorgebaut. Sie haben seit 2017 eine eigene Kompostieranlage, in der sie Bio-Kompost gewinnen: „Damit haben wir die Grundversorgung mit Dünger und Nährstoffen in der eigenen Hand“, sagt Christian. Über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt der Biohof auch eigenen Strom, mit dem sowohl die Kühlanlage als auch die Fußbodenheizung in den Produktionshallen betrieben wird. Ebenso wie der Elektrobrunnen, von dem aus über 30 Kilometer Rohrleitung die Bewässerung in den Feldern erfolgt – und zwar über die sogenannte Tropfbewässerung: „Das macht das Blatt nicht nass, und das ist wichtig, wenn man biologisch arbeitet und nicht einfach ein Fungizid versprüht und damit seine Ruhe hat.“
Während er diese Details erzählt, wird es Christian Anzböck offenbar selbst noch einmal so richtig bewusst: „Wir fahren schon ein sehr intensives Programm für einen Biobetrieb.“ Aber eine andere Art der Bewirtschaftung kommt für ihn und seine Familie nicht in Frage, und das merkt man dann halt auch an der hervorragenden Qualität bei den Kartoffeln, Zwiebeln und Süßkartoffeln, die hier angebaut und geerntet werden.
„Durch die Klimaveränderung funktionieren manche alten Sorten nicht mehr so gut. Deshalb wollen wir jedes Jahr eine neue Sorte ausprobieren.“
18 Sorten und ein Kartoffelberater
Mittlerweile werden am Biohof Anzböck 18 verschiedene Kartoffelsorten angebaut, und dieser Prozess ist ein dynamischer. Denn die Veränderungen durch den Klimawandel werden auch in dieser Sparte schlagend: „Manche Sorten haben Stress mit Hitze und Trockenheit, aber auch mit extremen Wetterereignissen“, verrät Christian. Deshalb ist die Suche nach widerstandsfähigeren Sorten eine permanente, und dabei arbeitet der Biohof auch mit einem „Kartoffelberater“ zusammen, der Sortenversuche macht und immer wieder „Prototypen“ aus dem Hut zaubert, deren Eignung dann getestet wird.
Die Größe dieses außergewöhnlichen Betriebes hat sich im vergangenen Jahrzehnt ungefähr verdreifacht, und über 60 Mitarbeiter:innen tragen inzwischen dazu bei, dass das Werkl rund läuft. Seit einem Jahr gehört auch noch eine Kartoffelschälerei zum Unternehmen, das aus vier Teilbetrieben besteht. Zwei davon sind inzwischen sogar Demeter-zertifiziert.
Christian Anzböck geht den Weg, den sein Vater vor 30 Jahren begonnen hat, also konsequent weiter. Und so groß dieser Biohof auch ist: Manchmal sind es die kleinen Freuden, die zusätzlichen Antrieb geben. Wenn es Christian nämlich gelingt, Kundinnen oder Kunden, die bisher konventionelle Ware gekauft hatten, auf Bio „umzustellen“: „Manchmal gelingt uns das, und das ist dann schon ein schönes Gefühl.“