Auch Hühner haben es verdient, wie Gott in Frankreich zu leben, finden Patrick Birkl und Katharina Birkl-Weiskopf. Ihren französischen Bresse-Gauloise-Hühnern bieten sie auf ihrem K&P Hendlhof im südoststeirischen Hügelland alles, was ihre kleinen Herzen begehren: frische Würmer und saftiges Gras zum Frühstück und Auslauf von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Den Panoramablick auf den Grazer Schöckl gibt es obendrauf.
Bei der Vermarktung geht es den sympathischen Tiroler Hofbesitzer:innen aber nicht unbedingt um die Darstellung einer romantischen Bio-Welt. Sie zeigen die Dinge lieber so, wie sie sind. So auch auf dem ersten Foto ihrer Website: ein gerupftes, totes Hendl liegt hier kunstvoll auf einem Tablett drapiert.
„Wir wollen Bewusstsein schaffen für das Tier, das wir essen.“
Hierzulande ein ungewohnter Anblick — in Frankreich ganz normal, denn dort kommen Bressehühner mit Kopf und Krallen auf den Markt. In Österreich ist das aus hygienischen Gründen nicht erlaubt. „Wir wollten etwas, das unter die Haut geht und aneckt“, erklärt Katharina. „Und das tut’s.“ Damit bringen die beiden Hendlzüchter:innen ihr Anliegen auf den Punkt: „Bewusstsein schaffen für das Tier, das wir essen.“
Schafe als Hendl-Security
Schon als Kind hat Patrick lieber Hühner als Hasen gehalten. „Sie sind sehr einfache Tiere, aber komplex, was ihr soziales Verhalten angeht“, erklärt er seine Faszination, die vom Tier selbst bis zur Verarbeitung reicht. Sein Wissen gibt er auch als Berater für landwirtschaftliche Betriebe weiter. Nach seiner Doktorarbeit an der Uni in Kanada, in der er erforschte, warum sich moderne Hybrid-Legehennen gegenseitig die Federn auszupfen, stand für ihn und seine Frau fest: Sie wollten ihre eigene Vorstellung von artgerechter Hühnerhaltung umsetzen. „Diese hat wohl auch ein wenig mit Idealismus zu tun“, sagt Patrick.
„Schafe leisten einen noch einen anderen wertvollen Dienst für die Hühner: Sie scheuchen Insekten auf, die sie aufpicken können.“
„Die Hühner sollen alles haben, was sie zum Wachsen brauchen.“ Dazu gehören neben einer hochwertigen Getreidemischung und fünf Hektar Grünfläche auch eine Herde anmutiger Zackelschafe. Sie stehen den Hühnern als Habicht-Abwehr zur Seite. „Dadurch fühlen sie sich sicherer und laufen weiter auf die Wiesen hinaus. Außerdem leisten die Schafe noch einen anderen wertvollen Dienst für die Hühner: Sie scheuchen Insekten auf, die sie aufpicken können.“
Bewusst „nicht wachsen“
Obwohl laut gesetzlichen Richtlinien noch viel mehr Hühner Platz hätten, sind sich Patrick und Katharina einig: „Wir möchten unseren Betrieb klein halten.“ Gezüchtet wird zweimal im Jahr: 500 Hühner von März bis Juli und weitere 500 von August bis Weihnachten. Die Pause tut auch dem Boden gut.
Bressehühner sind eine edle, anspruchsvolle Zweinutzungsrasse, die Eier legt und auch als Masthuhn hervorragendes Fleisch liefert. Die Genetik der Zuchthühner muss alle vier Jahre aufgefrischt werden. Bald gibt es für die Bressehühner auch einen Elternbetrieb mit Brüteiern in Österreich. Das erspart die lange Fahrt nach Bourge-en-Bresse, das der Südoststeiermark sehr ähnlich ist, wie Patrick sagt: vom Klima bis zu den vielen kleinstrukturierten landwirtschaftlichen Betrieben.
„Früher gab es in jeder Region eigene Hendlrassen, die an das Klima angepasst waren, damit sie gut wachsen konnten.“
Ihre Hühner fühlen sich hier wohl. Sogar den dichten Novembernebel mögen sie, weil er ihnen zusätzlichen Sichtschutz vor dem Habicht bietet. „In Tirol wären wir mit einer Hühnerhaltung wegen der oft frühen und langen Winter nicht so flexibel.“
Weil’s so schmeckt wie früher
Die Privatkundschaft des K&P Hendlhofs ist vielfältig: „Der Anwalt, der auf die Rasse steht. Kundinnen und Kunden, die Bio wollen oder das ‚Müttele‘ aus dem Nachbarort, die einkauft, weil unsere Hendln so schmecken wie die von früher.“Das Fleisch ist gleichmäßiger verteilt und saftiger, vor allem das Brustfleisch. Beliefert werden unter anderem regionale Haubenlokale wie das Lilli oder Lounge81, die ihre Eier verkochen. Auch der Trautentalwirt und die hippe Walhalla- Genusskulisse wissen die Vielseitigkeit des Bressehuhns zu schätzen.
Apropos regional: Warum eigentlich ein französisches Zuchthuhn? Von den wenigen heimischen Rassen wie dem Sulmtaler Hendl, sei dieses eher zum Zierhendl avanciert, sagt Patrick. „Es wurde seit den 1950er Jahren nicht mehr weitergezüchtet. Für den modernen Gaumen schmeckt es wohl etwas ‚zach‘.“
Auch das schönste Leben ist einmal vorbei
Nach 20 Wochen endet das „belle vie“ eines Bressehuhns – wenn auch auf sanfte Weise. Das ist Patrick und Katharina absolut wichtig. Geschlachtet wird bei Herta Schneider im Südburgenland, einer Gänsezüchterin mit 30 Jahren Erfahrung. Die Birkls übergeben ihr jedes einzelne Huhn persönlich für dessen letzte Reise. „Ganz ohne Stress und Flügelschlagen“, so die beiden. „Stressig wird’s nur, wenn die Schachteln für den Online-Versand nicht rechtzeitig zum Schlachttermin geliefert werden.“
Patrick wird oft von Hobbyzüchter:innen um Rat gefragt, wenn es um das Thema Tötung geht. Es kommt schon einmal vor, dass Hühner krank werden oder nach dem Schlüpfen nicht überlebensfähig sind. „Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man mit Tieren arbeitet“, sagt Patrick pragmatisch.
Wenn die Bressehühner abends zum Schlafen auf ihre Stangen im Stall flattern und Patrick noch leise mit ihnen spricht, könnte man meinen, sie antworten ihm gackernd. Aus lauter Zufriedenheit vielleicht sogar auf Französisch.