Ist Sonnenblumenöl ungesund?

Kaum ein Öl sorgt aktuell für so viel Aufregung wie Sonnenblumenöl – von „toxisch“ bis „gesund“ reichen die Meinungen. Was ist wirklich dran?
von Nick Pulina
Sonnenblumenfeld
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Von „toxischem Dreckszeug“ ist die Rede, „bloß nicht“, schreibt jemand, „schlimmer als Kokain“ soll es sein. Wenige Lebensmittel scheinen aktuell so sehr zu polarisieren wie das Sonnenblumenöl. Wir haben es selbst erlebt, als wir vor einigen Wochen eine vermeintlich harmlose Videoanleitung für die Zubereitung von Bärlauchöl posteten. Dessen Basis: Sonnenblumenöl. Ungesund soll es sein, krankheitsfördernd und sogar verseucht, sagen die einen, während die anderen in ihm einen vielseitigen Begleiter in der alltäglichen Küche sehen und von seinen gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen überzeugt sind. Wir haben uns die Studienlage einmal genauer angesehen und stellen fest: Ganz so einfach ist das nicht.

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Sonnenblumenöl
Ungefiltert und goldgelb: Kaltgepresstes Sonnenblumenöl enthält mehr natürliche Begleitstoffe – allerdings ist es weniger hitzestabil.

Was genau ist Sonnenblumenöl?

Sonnenblumenöl wird, wie der Name schon sagt, aus den Samen bzw. Kernen der Sonnenblume gewonnen. Dabei gibt es zwei gängige Verfahren: die Kaltpressung und die Raffination.

Bei der Kaltpressung werden die Sonnenblumenkerne mechanisch ausgepresst, ohne dass Hitze zugeführt wird. Das Öl behält dadurch einen großen Teil seiner natürlichen Aromastoffe, Vitamine und sekundären Pflanzenstoffe, ist jedoch weniger hitzebeständig.

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Sonnenblumenfeld
Aus den Kernen dieser Sonnenblumen entsteht das Öl – je nach Sorte mit mehr Linolsäure oder mehr hitzestabiler Ölsäure.

Bei der Raffination hingegen wird das Öl nach dem Pressen oder Extrahieren durch mehrere Schritte gereinigt – darunter Entschleimung, Entsäuerung und Bleichung. Das Ergebnis ist ein geschmacksneutrales, klares Öl mit hoher Hitzestabilität, das sich besonders gut zum Braten eignet.

Aufs Öl kommt’s an

Doch das sind nicht die einzigen Unterschiede beim Sonnenblumenöl. Wichtig ist auch dessen Fettsäurezusammensetzung, die sich je nach Züchtung der Sonnenblumenpflanze deutlich unterscheidet. Die zwei Haupttypen sind:

  • High-Linoleic-Sonnenblumenöl: Dieses Öl enthält einen besonders hohen Anteil an Linolsäure, einer mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäure. Omega-6-Fettsäuren sind essenziell, da der Körper sie nicht selbst herstellen kann. Sie unterstützen Immunfunktionen und die Zellstruktur, allerdings nur in einem ausgewogenen Verhältnis zu Omega-3-Fettsäuren. Ein übermäßiger Konsum kann wiederum entzündungsfördernd wirken. Zudem ist dieses Öl nicht allzu hitzestabil. Erhitzt man es zu stark, können gesundheitlich bedenkliche Stoffe wie Aldehyde entstehen.
  • High-Oleic-Sonnenblumenöl: Dieses Öl stammt aus speziell gezüchteten Sonnenblumensorten mit einem hohen Anteil an Ölsäure, einer einfach ungesättigten Omega-9-Fettsäure. Diese Fettsäure ist deutlich hitzestabiler und oxidiert weniger schnell. High-Oleic-Öle sind daher hervorragend zum Braten und Frittieren geeignet. Sie wirken sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus, da sie helfen können, das LDL-Cholesterin zu senken.

In der Praxis sind die beiden Öl-Arten oft nicht klar gekennzeichnet – es lohnt sich also, auf die genaue Bezeichnung (‚High Oleic’ oder ‚reich an Ölsäure‘) oder die Nährwerttabelle zu achten. Faustregel: Je höher der Ölsäuregehalt, desto besser eignet sich das Öl zum Erhitzen.

Die Spaltung reicht bis in die Wissenschaft

Es deutet sich bereits an: Über die Bekömmlichkeit von Sonnenblumenöl herrscht nicht nur in der interessierten Bevölkerung Uneinigkeit. Auch die wissenschaftliche Quellenlage ist überaus komplex und teils sogar widersprüchlich. Fest steht: Sonnenblumenöl besteht hauptsächlich aus ungesättigten Fettsäuren, die grundsätzlich als förderlich für das Herz-Kreislauf-System gelten. Wichtig ist lediglich, es mit dem Konsum von Omega-6-Fettsäuren nicht zu übertreiben, damit kein Ungleichgewicht in der Relation zu den Omega-3-Fettsäuren entsteht. Unumstritten ist auch der hohe Gehalt an Vitamin E, der sich sowohl in kaltgepresstem als auch, in etwas niedrigerer Konzentration zwar, in raffiniertem Öl findet. Es wirkt antioxidativ und kann dadurch die Zellerneuerung unterstützen.

Ein Blick in die Forschung

Die wissenschaftliche Datenlage ist ebenso differenziert wie die Debatte selbst, wie diese Beispiele illustrieren:

  • Die Universität Sheffield belegt in einer Studie die hautpflegenden Eigenschaften des Öls: Es wirkt entzündungshemmend und spendet Feuchtigkeit – besonders relevant in der dermatologischen Anwendung.
  • Eine Studie der Universität Glasgow fand bei übergewichtigen Menschen mit chronischen Herz- und Nierenerkrankungen keine signifikanten Unterschiede zwischen Sonnenblumen-, Raps- und herkömmlichem Speiseöl in Bezug auf Gesundheitsparameter.
  • Eine Untersuchung der Universität Cordoba zeigt, dass phenolreiche Öle (z. B. Olivenöl) die Darmgesundheit messbar positiv beeinflussen. Sonnenblumenöl schnitt in diesem Aspekt schlechter ab, nicht aufgrund der Fettstruktur, sondern wegen des geringen Gehalts an bioaktiven Verbindungen.

„Das Sonnenblumenöl im Supermarkt ist ja auch Mist“

Dass Sonnenblumenöl demnach zumindest nicht gesundheitsförderlich ist, stellt allerdings einen anderen Vorwurf dar als jenen, der dem Produkt immer wieder entgegenschlägt: der Gesundheit zu schaden. Helga Bernold kennt die Kritik. Auf ihrem gleichnamigen Demeter-Hof in Stronsdorf stellt sie schließlich selbst Sonnenblumenöl her. „Ich höre das auch immer, und das Öl im Supermarkt ist ja auch Mist. Da werden konventionelle Hybridsorten unter größtmöglichem Druck gepresst und stark erhitzt, um mit möglichst großer Effizienz ein möglichst haltbares Öl zu pressen. Was dabei rauskommt, hat eigentlich nichts mehr mit Sonnenblumenöl zu tun. Man hat aber das Gefühl, dass viele nur diese Industrieöle kennen und sich dann eben daran aufziehen.“

Dafür, dass es auch gutes Sonnenblumenöl aus schonender Herstellung gibt, ist Helga Bernold das beste Beispiel. Ihr Sonnenblumenöl wird nach den Kriterien der Biodynamie hergestellt, nur sanft gepresst, leicht filtriert und nicht pasteurisiert. Dadurch ist es zwar nicht ganz so lange haltbar, aber dafür deutlich aromatischer und verträglicher als die Industrieware.

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Sonnenblumenöl
High-Oleic-Sonnenblumenöl eignet sich durch seinen hohen Ölsäuregehalt besonders gut zum Braten und Frittieren.

Dass sie sich trotzdem immer wieder mit Ablehnung konfrontiert sieht, führt Bernold auf eine gesellschaftliche Entwicklung zurück: „Man hat das Gefühl, dass sich da so eine Art Gegenbewegung zu den zurzeit sehr präsenten Veganer:innen ausgebildet hat. In den Augen mancher machen ‚die Veganer:innen‘ alles Tierische schlecht, und nun hat das ‚andere Lager‘ damit angefangen, im Gegenzug alles Pflanzliche schlechtzumachen. Meiner Ansicht nach sollte nicht das Was die bestimmende Frage sein, sondern das Wie. Und da kann auch ich mich dann zu einer absoluten Aussage durchringen: Alles, was hochtechnisiert verarbeitet ist, ist für den Körper schwer zu verarbeiten, um nicht zu sagen schlecht. Und dabei ist es egal, ob es ein tierisches oder pflanzliches Produkt ist.“

„Die Dosis macht das Gift“

„Das Thema ist hochemotional aufgeladen“, sagt auch Damon Krolik vom Bio-Kräuteröl-Hersteller Kraidlzeig in Wien. „Aus irgendeinem Grund hat man sich aufs Sonnenblumenöl eingeschossen. Man kommt sich manchmal vor wie bei einer Hexenjagd, und ich kann mir wirklich nicht erklären, warum. Wir selbst verwenden raffiniertes Sonnenblumenöl für unsere Kräuteröle und das hat gute Gründe: Es schmeckt neutral und drängt sich aromatisch nicht in den Vordergrund, es ist hoch erhitzbar und kann somit auch in der Gastronomie gut eingesetzt werden und, das ist mir besonders wichtig, es ist regional produziert.“

Krolik wünscht sich mehr Differenzierung: „Natürlich ist die Belastung mit Schadstoffen wie Mineralöl ein Thema, über das man sich informieren sollte. Allerdings darf man dabei nicht ignorieren, dass eine solche Belastung bei so gut wie jedem Produkt aus monokulturellem Anbau gegeben ist. Ich möchte das Problem nicht kleinreden, ich habe nur das Gefühl, dass bei dem Thema schnell die Verhältnismäßigkeit aus dem Blickfeld gerät. Auch längst nicht jedes Olivenöl ist gut, man denke an die vielen aufgedeckten Fälschungen und teils sehr fragwürdige Herstellungsbedingungen.

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Sonnenblumenöl in der Flasche
Oft ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, ob es sich um hitzestabiles High-Oleic- oder linolsäurereiches Öl handelt – ein genauer Blick aufs Etikett lohnt sich.

Außerdem muss es immer importiert werden. Natürlich kann ich mir ein High-End-Öl aus den USA importieren, das garantiert schadstofffrei ist. Dabei setze ich dann aber allein durch den Import wieder so viele Schadstoffe frei, dass man sich doch fragen muss, worauf wir unseren Fokus legen sollten. Die Lösung darf nicht die Verteufelung eines Produktes sein, sondern dessen bewussterer Anbau im Einklang mit der Umwelt und auch die bewusstere Kaufentscheidung der Konsumentinnen und Konsumenten.“

Fazit: Sonnenblumenöl mit Augenmaß genießen

Sonnenblumenöl ist kein Wundermittel, aber auch kein Feind. Es bietet Vorteile für Herz, Haut und Küche, solange man die richtige Sorte für den richtigen Zweck auswählt und es im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung verwendet. Wer zusätzlich noch einen genauen Blick auf die Herkunft seines Öls wirft, muss sich keine Gedanken machen, etwas von dem doch nicht ganz so ‚toxischen Dreckszeug‘ in seinen Speiseplan zu integrieren.

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