„Show, don’t tell“ ist eine Technik, wenn es ums Schreiben geht. Anstatt etwas festzustellen oder zu erklären, solle man eine Szene detailgetreu beschreiben. Das würde die Leser:innen schneller in den Bann ziehen, so die Theorie. Etwas Ähnliches macht auch Peter Kirchengast in seiner Schaubäckerei. Anstatt Dampf zu plaudern und allerlei zu behaupten, kann man dem Bäckermeister dabei zusehen, wie er die Zutaten miteinander zu einem Teig vermengt, aus dem dann das französische Landbrot und Co entstehen.

„Die Bäckerei ist ein wunderschönes Handwerk, das mit Backmischungen, Teiglingen und Co in Verruf geraten ist. Als wir beschlossen haben, wir machen eine Bäckerei, haben wir gesagt: Wir bieten komplette Transparenz“, sagt Peter Kirchengast, Inhaber der Bäckerei vom Lichtenberg. Im Betrieb gibt es keinen Winkel, wo man sich verstecken kann.
Bis zu 50 Stunden Reifezeit
Der Lichtenberg ist eine Anhöhe über der südoststeirischen Gemeinde Gnas. Hier steht die moderne Schaubäckerei und zeigt auf die zwei Hektar große Landwirtschaft der Familie. Es ist hier tatsächlich so idyllisch, wie es sich anhört. Die meisten Bio-Zutaten für Brot und Gebäck kommen aus der Region: Mehl, Eier, Butter, Milch. Das Macadamia-Nougat für eine der Croissant-Kreationen bezieht er von der Zotter-Schokoladenmanufaktur aus der Region. Die Lichtenberg-Brote definieren sich durch Zutaten in höchster Bio-Qualität und ansonsten durch Abwesenheiten. Zusatzstoffe, E-Nummern, Gewürze, Milch- und Eipulver kommen Peter nicht in den Teig.
„Wir machen ehrliche Produkte, denen wir Zeit zum Reifen geben“, sagt er. Bis zu 50 Stunden arbeitet es in den Teigen. Der Sauerteig fermentiert im Brot selbst und wird nicht als Zutat hinzugefügt. „Das hält frisch und macht das Brot bekömmlich.“

Für sein Signature-Brot, das französische Landbrot, verwendet Peter statt eines Trockensauerteigs, der normalerweise verwendet wird, Weizensauerteig: „Der ist milder, aromatischer und fruchtiger im Geschmack, sodass das Brot genauso gut zu Marmelade passt wie zu Wurst und Käse.“ Die Semmeln von Lichtenberg kann man auch nach drei Tagen noch essen. Je länger Brot und Gebäck reifen, umso länger sind sie auch gut.
„Ich versuche, den Planeten nicht schlechter zu verlassen, als ich ihn vorgefunden habe.“
Mit der eigenen Bäckerei hat sich Peter einen Kindheitstraum erfüllt. Vor einigen Jahren fasste er zusammen mit seiner Frau im Urlaub bei zwei Flaschen Wein den Entschluss, sein eigenes Ding zu machen. Es dauerte nur 14 Monate, bis die beiden ihre Haute Boulangerie, wie sie die Bäckerei der Hochwertigkeit der Produkte wegen nennen, eröffneten.


Dass die Zutaten Bio-Qualität haben sollten, war für die Kirchenbergs von Beginn an Voraussetzung. Zusätzlich schafften sie sich einen Pellets-Backofen an, um im Betrieb auf Öl und Gas verzichten zu können. Dafür waren sie auch bereit, die Mehrkosten auf sich zu nehmen. „Mit dem Backofen waren wir in Österreich die ersten“, sagt Peter. „Pellets sind aus Holz. Das ermöglicht ein CO2-neutrales Backen.“ 80 Prozent des Stroms produzieren sie außerdem selbst. „Ich versuche, den Planeten nicht schlechter zu verlassen, als ich ihn vorgefunden habe“, sagt er.
Geben und Nehmen
So wie die Zutaten aus nächster Nähe kommen, so kommen sie als knusprige Backwaren auch wieder zurück in die Region. Einerseits kaufen Privatkundinnen und -kunden aus der Umgebung ein, andererseits trifft man ziemlich sicher auf die Waren vom Lichtenberg, wenn man in der Südoststeiermark etwas gehobener essen geht. Christina Luger und Thomas Rauch von der Lounge 81 und Lukas Jahn vom unkonventionellen Weinhof Locknbauer beispielsweise servieren das, was Peter täglich ab zwei Uhr morgens rausbäckt. „Die Frage ist eher: Wo sind wir nicht? Unsere Hausaufgaben haben wir gemacht“, sagt er.
„Die wenigsten Betriebe wachsen vernünftig. Qualität ist mir das Wichtigste, darum werden wir produktionstechnisch die Größe beibehalten, die wir haben.“

Peter ist zufrieden mit dem, was er sich aufgebaut hat. „Die wenigsten Betriebe wachsen vernünftig. Qualität ist mir das Wichtigste, darum werden wir produktionstechnisch die Größe beibehalten, die wir haben. Ein Traum wäre es noch, alle Produkte in Demeter-Qualität zu bekommen, aber das ist in Österreich sehr schwierig“, sagt er. Wachstum steht nicht im Vordergrund, aber die Weiterentwicklung und das Experimentieren mit neuen Produkten bereiten ihm große Freude.
So entstanden beispielsweise Kreationen wie das Käsestangerl mit Kürbiskernöl, die Burger-Buns und der Pizzateig, die es beim Lichtenberg gibt. „Manche Dinge machen wir eben anders.“ Nur die Handarbeit, die wird bleiben.
