In dieser monatlichen Serie stellen wir seltene, alte und oft fast vergessene Sorten vor, die wiederentdeckt werden wollen und unsere Küche bereichern. Warum es sich lohnt, auf Gemüseraritäten zurückzugreifen? Weil sie nicht nur mit außergewöhnlichem Aroma, besonderen Farben und einzigartigen Nährstoffen überzeugen, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur genetischen Vielfalt leisten. Durch den Anbau und die Verwendung von Gemüseraritäten unterstützen Sie die Erhaltung alter Sorten, fördern die Nachhaltigkeit und entdecken neue kulinarische Geschmackserlebnisse. Viele dieser Raritäten sind robust, widerstandsfähig und bieten spannende Alternativen zu den gängigen Supermarkt-Gemüsesorten.
Blutampfer
Wie auch bei seinem bekannteren Verwandten, dem Sauerampfer, handelt es sich beim Blutampfer in erster Linie um eine Wildpflanze, die beinahe im gesamten mittel- und osteuropäischen Bereich wächst. Am liebsten mag es der Blutampfer feucht und schattig, weshalb er sich am ehesten in dicht bewachsenen Waldgebieten sammeln lässt. Dies erklärt auch seinen zweiten gängigen Namen: Hainampfer.
Aufgrund seines feinsäuerlich-frischen Geschmacks und seines hohen Gehalts an Vitamin C sind die kleinen grünen Blätter mit den roten Stielen schon längst auch in den heimischen Gärten und Gärtnereien angekommen. Dass er sich – ähnlich dem Bärlauch – von sich aus vermehrt, kann dabei sowohl Segen als auch Plage sein. Doch selbst wenn der Blutampfer es einmal übertrieben hat mit seiner Ausbreitung, ist das nicht weiter tragisch. Einfach einen schönen Wildkräutersalat, ein Pesto oder eine Kräuterbutter daraus machen und schon ist der Wildwuchs wieder eingedämmt. Aufgrund des hohen Gehalts an Oxalsäure in älteren Blättern sollte der Blutampfer allerdings stets so jung wie möglich verwendet werden.
Lupinenbohne
Auch wenn die Lupine bereits seit einigen Jahren unter Veganerinnen und Veganern zu einem überaus beliebten Eiweißlieferanten unter den Gemüseraritäten geworden ist, ist sie außerhalb der tierproduktfreien Ernährung noch immer vergleichsweise unbekannt. Das ist schade, ist die unscheinbare Frucht der hübsch blühenden Pflanze doch nicht nur überaus reich an Proteinen (zwischen 30 und 40 Gramm pro 100 Gramm), sondern durch ihre auf mitteleuropäische Verhältnisse abgestimmten Voraussetzungen auch eine lokale und nachhaltige Alternative zu Soja.
Kulinarisch interessant sind vor allem die Bohnen bzw. Samen der Lupine. Sie werden meist getrocknet angeboten und können dann wie andere Hülsenfrüchte auch nach etwas Einweichzeit für Eintöpfe und Aufstriche verwendet werden, als Salattoppings oder als Füllung für gebackene Paprika, Melanzani oder Zucchini. Auch für süße Snacks oder als Komponente eines Frühstücks sind Lupinenbohnen gut geeignet, etwa als Beigabe in ein Porridge oder als Basis für einen reichhaltigen Smoothie mit (Pflanzen-)Milch und frischem Obst.
Zuckererbsen
Apropos Hülsenfrüchte: Kaum eine andere Gemüserarität steht so sehr für den Juni wie die Erbse. Sie als Rarität zu bezeichnen, mag etwas kühn erscheinen, doch seien wir mal ehrlich: Wirklich pralle, reife und süße Zuckererbsen bekommen wir selbst auf gut sortierten Märkten nur ganz selten, und wenn, dann nur für sehr kurze Zeit. Tiefkühlerbsen sind überall, aber die wirklichen Erbsen vom Feld sind in der Tat zur Rarität geworden.
Umso dankbarer sind wir Robert Brodnjak vom Krautwerk in Großmugl, der die Zuckererbse nicht nur in bester Qualität auf seinen Marktstand bringt, sondern auch gleich noch einen tollen Tipp für ihre Zubereitung hat: „Zuckererbsenschoten vertragen sich sehr gut mit Spargel. Und auch Obst passt perfekt. Daher kombiniere ich das gern miteinander zu einem Spargel-Erbsen-Erdbeersalat. Dazu gebe ich den Spargel und die Erbsen zusammen mit etwas Butter in die Pfanne, lösche sie mit Balsamicoessig ab und gebe ganz zum Schluss die Erdbeeren dazu, sodass sie nur lauwarm werden. Etwas frischen Estragon oder Minze dazu und man hat ein erfrischendes Gericht, das schön mit den Kontrasten von warm und kalt und süß und herzhaft spielt.“
Frühkraut
Wer bei all den frischen und leichten Frühjahrsgerichten wieder einmal Lust auf etwas Deftiges hat, braucht aber auch nicht zu verzweifeln: Das Frühkraut hat Saison. „Im Gegensatz zum Herbst- oder Lagerkraut ist das Frühkraut weniger lagerfähig und hat eine besonders feine und zarte Blattstruktur“, erklärt Paul Reiner von Reiners Erdbeeren- und Gemüsehof im burgenländischen Frauenkirchen. „Daher eignet es sich perfekt zum Schmoren.“
Wie wäre es zum Beispiel ganz klassisch mit geschmortem Frühkraut mit Erdäpfeln, viel Kümmel und Fleischklößchen? Wer lieber die Zartheit des früh geernteten Weißkohls in Szene setzen möchte, schneidet ihn in Tranchen und brät ihn bei hoher Hitze in etwas Butter an oder hobelt ihn zusammen mit Karotten, etwas Ingwer und einer roten Chili fein auf und macht ihn mit Sesamöl und Reisessig zu einem frischen asiatischen Krautsalat an. Besonders bei roher Zubereitung kann das Frühkraut all seine gesunden Inhaltsstoffe wie die Vitamine C und K, Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium und Magnesium sowie seine verdauungsfördernden Ballaststoffe dem Körper zugänglich machen.
Romanesco
Mit seinem fast außerirdisch anmutenden Aussehen ist der Romanesco ein echter Blickfang auf jedem Marktstand und dabei viel mehr als nur eine dekorative Spielerei der Natur. Botanisch zählt er zur Familie der Kreuzblütler und ist, wen wundert’s, eng verwandt mit Blumenkohl und Brokkoli, geschmacklich aber feiner und leicht nussig. Seine spiralförmig arrangierten Röschen sind nach der sogenannten Fibonacci-Folge angeordnet – ein Phänomen, das das außergewöhnliche Gemüse sogar schon zum Thema so manch einer Mathematik-Vorlesung gemacht hat.
Doch nicht nur optisch hat er viel zu bieten, auch die gesundheitlichen Vorteile des Romanesco sind nicht zu unterschätzen. Er enthält jede Menge Vitamin C, Folsäure und Ballaststoffe, die ihn zu einem wertvollen Bestandteil einer gesunden Ernährung machen können. Ähnlich wie der Brokkoli lässt sich Romanesco am besten kurz blanchiert, gedämpft oder in der Pfanne angeröstet verwenden. So bleibt er schön knackig und behält seine leuchtend grüne Farbe. In Zitronenbutter geschwenkt oder mit gerösteten Haselnüssen bestreut, ist er eine gute Beilage zu Fisch- und hellen Fleischgerichten, in Kombination mit einer cremigen Polenta und einigen Butterbröseln ist er auch ein toller Solist auf dem Teller.