Der vierjährige „Meister Eber“ ist nicht kamerascheu. Sobald Jungbauer Andreas Maurer bei einer Führung samt Schulklasse zu seinem Stall kommt, wirft er sich theatralisch auf den Rücken und lässt sich mit Freude den Bauch kraulen. Ein Highlight – besonders für Stadtkinder, die teilweise noch nie zuvor einem echten, lebenden Schwein begegnet sind. Mit dem Programm „Schule am Bauernhof“ möchte der Biohof Maurer seinen Teil zur Aufklärung beitragen. Und das kommt richtig gut an.
„Wir wollen unser Wissen und das Verständnis für Landwirtschaft an die Stadtbevölkerung weitergeben.“
So geht Bauernhof
Der Biohof liegt am Leopoldauer Platz am Wiener Stadtrand im 21. Bezirk. So nahe an Wiens Schulen gelegen war Andreas Maurer immer klar, dass er den Betrieb herzeigen möchte: „Es kommt nicht von irgendwo, dass man sagt, die Wiener Kinder haben keine Ahnung von Landwirtschaft. Es fehlt komplett der Bezug und es scheitert an Begrifflichkeiten wie ‚Sau‘ oder ‚Ferkel‘. Wir sehen uns Stadtbäuerinnen und Stadtbauern als Vermittler:innen. Wir wollen unser Wissen und das Verständnis für Landwirtschaft an die Stadtbevölkerung weitergeben.“
Das Programm findet regen Anklang, sowohl bei Schulklassen als auch bei Erwachsenenführungen wie „Afterwork am Bauernhof“. Es gibt eben einiges zu sehen.
Andreas, der den Bauernhof 2018 von den Eltern übernommen hat, bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Familie 40 Hektar Fläche. Als pensionierte AHS-Lehrerin ist Andreas Mutter Regina vor allem bei „Schule am Bauernhof“ sehr engagiert und Seniorchef Horst ist beim Ackerbau und bei Reparaturen nach wie vor eine große Stütze. Auf den Flächen wird großteils das Futter für die eigenen Tiere angebaut wird: Gerste, Erbsen, Sojabohnen, aber auch Kürbis und Sonnenblumen für Kerne und Öl.
Am Betrieb leben meist etwa 120 Schweine, die sich aufteilen in 21 Muttersauen, den Deck-Eber, 30 Mastschweine und 50–70 Aufzuchtferkel. Zusätzlich gibt es 420 Legehühner, die in mobilen Ställen untergebracht sind. Alle zwei Wochen wird der Hühnerstall versetzt, sodass immer frisches Gras zur Verfügung steht. Die sechs Ziegen, die auch noch am Hof leben, bezeichnet Andreas als „Hobby“ und vor allem als Streichelzoo für die vielen Besucher:innen.
Ein schönes Schweineleben
Hauptaugenmerk des Betriebs sind auf jeden Fall die Schweine, die in einer großzügigen Mutter-Kind-Box – genannt „Bucht“ – auf die Welt kommen und dort die ersten sieben Wochen ganz natürlich bei der Sau aufwachsen. „Im konventionellen Bereich werden die Ferkel nach drei bis vier Wochen von der Mutter getrennt, was viel zu früh ist und der Sau großen Trennungsschmerz bereitet“, erklärt Andreas. Die meisten Ferkel werden mit 25–30 Kilo an andere Bio-Bauernhöfe verkauft, unter anderem ins Waldviertel oder an die MA49 der Stadt Wien.
„Wenn wir uns das Recht herausnehmen, die Tiere zu schlachten, möchten wir ihnen davor ein schönes Leben ermöglichen.“
Alle Ferkel, die zurückbleiben, haben dann nochmal extra viel Platz im Stall und werden mit etwa 9–12 Monaten mit 120–140 Kilo geschlachtet. Dafür fährt Andreas alle zwei Wochen mit zwei Schweinen ins 15 Minuten entfernte Aderklaa. Andreas möchte selbst dabei sein, um den Tieren so wenig Stress wie möglich zu bereiten: „Mich kennen sie, daher sind sie beim Verladen ruhiger. Die Achtung der Tiere ist uns sehr wichtig. Wenn wir uns das Recht herausnehmen, sie zu schlachten, möchten wir ihnen davor ein schönes Leben ermöglichen.“
Vor allem bei den „Mamas“, die nach einigen Jahren, wenn sie nicht mehr trächtig werden, auch geschlachtet werden, wird immer eine Träne verdrückt. „Die wachsen einem schon ans Herz, weil sie ganz eigene Charaktere und ihre eigenen Merkmale haben. Die Ute und die Sissi, unsere beiden ältesten Sauen, sind schon vier Jahre bei uns“, erzählt Andreas. Wobei seine Frau und Tierärztin Lisa die Schweine am allerbesten auseinanderkennt. Sie ist am Hof für die Betreuung der Tiere zuständig und führt eine Tierarztpraxis ein paar Häuser weiter. Der große Traum und Plan für die Zukunft wäre, die Landwirtschaft samt Schlachtraum vor Ort, Hofladen und Tierarztpraxis unter einem Dach zu vereinen, um den Kreislauf zu schließen und den Tieren die höchste Lebensqualität zu bieten.
„Der Weg Richtung Sonntagsbraten wäre der richtige. Dann könnten wir die ganze Welt Bio ernähren.“
Auch jetzt setzt Andreas auf Direktvermarktung. Alle Eier und wöchentlich ein Schwein werden in zwei Selbstbedienungsautomaten am Hof verkauft. Neben dem Fleisch gibt es auch verschiedene Würste zu kaufen, die von der Waldviertler Wurstmanufaktur Bio-Schober in Gars am Kamp mit dem Schweinefleisch vom Biohof Maurer produziert werden. Für den persönlichen Austausch mit den Kundinnen und Kunden wäre ein Hofladen schön, meint Andreas. Vor allem, weil die meisten sehr bewusst Fleisch konsumieren. „Wir wollen das auch in die Welt hinaustragen, dass wir viel zu viel Fleisch essen. Der Weg Richtung Sonntagsbraten wäre der richtige. Dann könnten wir die ganze Welt Bio ernähren.“