In einer Branche, in der traditionell Fleisch dominiert, setzt sich Paul Ivić seit Jahren für eine zeitgemäße, pflanzenzentrierte Ausbildung ein. Es ist noch nicht so lange her, da wurde der heutige Sternekoch für die Idee, auf Sterne-Niveau rein vegetarisch kochen zu wollen, kritisch beäugt. Seine Kritiker:innen hat er längst widerlegt, nun geht es ihm um eine breite Etablierung vegetarischer Küche in Österreichs Kulinarik-Landschaft.
Dabei steht für den Tiroler nicht der moralische Zeigefinger im Vordergrund, sondern die Qualität, Vielfalt und Verantwortung im Umgang mit Lebensmitteln. Gemeinsam mit seinem Team im Wiener Sterne-Restaurant TIAN hat Ivić sieben universelle Grundlagen für Köchinnen und Köche entwickelt, die als Leitbild für eine moderne Kochlehre dienen können – auch außerhalb einer rein vegetarischen Küche.
Prinzipien, die junge Menschen befähigen, ganzheitlich zu denken, kreativ zu arbeiten und verantwortungsvoll zu handeln. Ein Ansatz in sieben Akten.
1. Geschmack und Balance verstehen
Ziel ist es, die sensorische Wahrnehmung zu schärfen und Aromakompetenz zu entwickeln. Lernende sollen verschiedene Geschmacksrichtungen (salzig, süß, sauer, bitter, umami) erkennen, kombinieren und gezielt ausbalancieren können – ein entscheidender Schritt zum perfekten Teller.
2. Produktverständnis und Warenkunde
Ein gutes Gericht beginnt beim Rohstoff. Deshalb gilt es, Qualität, Saisonalität und Herkunft zu verstehen. Besonders im pflanzlichen Bereich wird anatomisches Wissen über Texturen, Reifegrade und Verarbeitung entscheidend – hier wird die Botanik zur kulinarischen Bühne.
3. Küchentechniken und Handwerk
Traditionelle Techniken wie Schneiden, Garen, Emulgieren oder Fermentieren sollen präzise beherrscht werden. Gleichzeitig lernen Auszubildende, eigenverantwortlich zu arbeiten – von der Mise en Place bis zur Ablaufplanung.
4. Hygiene, Sicherheit und Effizienz
Ein professioneller Küchenalltag erfordert Struktur und Sauberkeit. Dazu gehört nicht nur das Einhalten von Hygienestandards (z. B. HACCP), sondern auch ein effizientes Zeitmanagement sowie ressourcenschonende Lagerung und Organisation.
5. Respekt und Haltung
Kochen ist mehr als Technik – es ist eine Haltung. Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln, Kolleg:innen und Gästen ist essenziell. Ebenso wichtig sind soziale Kompetenz, Teamgeist und die Bereitschaft zur Weiterentwicklung.
6. Landwirtschaft und Bodenverständnis
Ein tieferes Verständnis für die Herkunft unserer Lebensmittel ist unerlässlich. Ivić vermittelt Wissen über konventionelle, biologische und regenerative Landwirtschaft und zeigt auf, wie Bodengesundheit Geschmack, Nährstoffgehalt und Klimabilanz beeinflusst.
7. Ernährungslehre und Wirkung auf den Körper
Was wir essen, beeinflusst uns direkt. Deshalb gehören Kenntnisse über Nährstoffe und Verdauung ebenso zur Ausbildung wie das Verständnis für individuelle Ernährungsbedürfnisse – von Allergien bis Veganismus.
Kochlehre als Zukunftsinvestition
Ivić geht es um eine Brücke. Eine Brücke, die er mit seinen Grundlagen zwischen handwerklicher Präzision und ethischer Verantwortung schlägt. Sein Ansatz zeigt: Kochlehre kann weit mehr sein als das Erlernen von Rezepten. Vielmehr kann sie ein tiefes Verständnis für Ernährung, Natur und Gesellschaft vermitteln. Und wenn es nach Ivić geht, spielt die vegetarische Kochlehre dabei bald eine noch größere Rolle.