Die gute Nachricht: Es gibt genügend Wasser. Zumindest in Österreich und zumindest für den Moment. Dass der gemütliche Schnürlregen zu einer Seltenheit geworden ist, ist aber bestimmt nicht nur Landwirt:innen und Meteorolog:innen aufgefallen. Wochenlange Trockenheit auf der einen und sintflutartige, konzentrierte Regenfälle auf der anderen Seite sind vor allem für die Landwirtschaft ein zunehmendes Problem. Der Boden trocknet immer mehr aus und kann die Wassermassen dann nicht mehr gut aufnehmen. „Die Dürreperioden werden jedes Jahr länger und die seltenen Regenfälle umso stärker“, bestätigt Marktgärtner Paul Reiner aus dem Burgenland.
„Die Dürreperioden werden jedes Jahr länger und die seltenen Regenfälle umso stärker.“
Der Niederschlag verteilt sich regional sehr unterschiedlich. Vor allem im Nordosten Österreichs liegt der mittlere Jahresniederschlag bei 600 mm und darunter, im Vergleich zu 1950 mm im vorarlbergischen Rheingebiet. Gleichzeitig wird eine Zunahme des Wasserbedarfs bis 2050 um 11 bis 15 Prozent prognostiziert. In der Landwirtschaft ist es noch extremer: Der Wasserbedarf für die Bewässerung ist regional und saisonal sehr konzentriert und kann sich bis 2050 beinahe verdoppeln. (Studie „Wasserschatz Österreichs“ vom BM Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, 2021)

Paul Reiner, Marktgärtner
„Wir setzen auf unseren Feldern auf Begrünungen und bodenaufbauende Maßnahmen, um die Wasserhaltekapazität zu steigern und die Winderosion zu vermindern. Außerdem pflanzen wir jedes Jahr Bäume und Sträucher. Ohne zusätzliche Bewässerung könnten wir unseren Betrieb jedoch kaum bzw. nicht weiterführen.“
Wie wir die Wasserspeicherfähigkeit unserer Böden verbessern
Wie also damit umgehen? Der naheliegende Gedanke wäre, Wasser zu speichern, um flexibel darüber verfügen zu können. Das ist zum Beispiel mit Regenwassertanks, Zisternen und Gräben eine Option. Allerdings ist Bewässerung nicht die einzige Maßnahme und überspringt überdies ein paar Schritte. „Die Landwirtschaft leidet immer stärker unter extremen Wetterereignissen, die durch den Klimawandel verstärkt werden. Um darauf besser vorbereitet zu sein, müssen Anbaumethoden entwickelt werden, die die Landwirtschaft widerstandsfähig machen und nachhaltig sind. Diese Praktiken sollten in die heutige Agrarpraxis integriert werden, um Ernteausfälle zu vermeiden und die Umwelt zu schützen“, meint Sabine Seidel, Professorin am Institut für Ökologischen Landbau an der BOKU Wien.

Sabine Seidel, Professorin am Institut für Ökologischen Landbau an der BOKU Wien
„Zukunftsfähige Landwirtschaft braucht mehr Diversität und weniger ausgeräumte Landschaften. Durch langfristige Veränderung kann die Landwirtschaft Resilienz gegenüber Trockenstress und Starkregenfällen aufbauen.“
Methoden zur besseren Wasseraufnahme des Bodens
Um mit Starkregen und Trockenheit umzugehen, bedarf es einiger Strategien, die alle ein Ziel haben: einen gesunden und resilienten Boden zu fördern. Das kann durch eine Erhöhung des Humusgehalts und eine verbesserte Bodenstruktur erreicht werden. So kann das Wasser besser und langsamer eindringen und es verdunstet weniger. Wenn der Boden zu sehr verdichtet ist – was zum Beispiel durch Pflügen entstehen kann –, wird das Wasser nicht gut aufgenommen und es kommt zu Oberflächenabfluss und Erosion.

Wer das Problem buchstäblich an der Wurzel packen möchte, sollte sich für trockenheitstolerante Kulturpflanzen und Sorten entscheiden, um so das pflanzenverfügbare Wasser von vornherein zu erhöhen. Eine Methode wäre der Anbau von Futterpflanzen wie der Luzerne, wie in der biologischen Landwirtschaft üblich, die sehr starke Pfahlwurzeln entwickeln. Diese bilden Bioporen, die über Jahre stabil bleiben.
„Man sollte möglichst darauf achten, dass die Bodenoberfläche bedeckt ist, und zwar das ganze Jahr über.“
So kann das Wasser besser einsickern und folgende Kulturen wurzeln schneller und tiefer in den Unterboden, wo sie Zugang zu mehr Ressourcen finden. Weitere tief wurzelnde Kulturen wären zum Beispiel Hafer oder Winterweizen.



Auch mit dem Aussaattermin zu variieren und Winterungen anzubauen, hat für den Boden viele Vorteile, da die Wurzeln im Frühjahr schon entwickelt sind und so für trockene Phasen besser gerüstet sind. Durch die tiefe Verwurzelung wird u.a. auch Kalium aus tieferen Bodenschichten erreicht. „Kalium ist ein wichtiges Osmotikum welches in den Zellen gebraucht wird und essenziell für die Wasserversorgung der Pflanze ist. Das haben nicht alle so am Schirm, eine gute Kaliumversorgung kann aber bei Trockenheit einen großen Ertragseinfluss haben“, so Seidel.

„Eine gute Kaliumversorgung kann bei Trockenheit einen großen Ertragseinfluss haben.“
Organische Dünger und Rückstände können ebenfalls als Kaliumquelle dienen und schützen den Boden gleichzeitig von oben: „Man sollte möglichst darauf achten, dass die Bodenoberfläche bedeckt ist, und zwar das ganze Jahr über“, rät Seidel. Dies schützt vor unproduktiver Verdunstung und Erosion durch Starkregen. Sehr beliebt und schnell umsetzbar ist die Bedeckung durch Mulch, z.B. bei Kartoffeldämmen. Auch die Integration mehrjähriger Miscanthus-Randstreifen (Anm.: Schilf-Gräser) sowie Hecken und Baumreihen zwischen Ackerflächen schützen vor Wasser- und Winderosion und Starkregen.




Silvia Fruhmann, Bio-Landwirtin
„Wir versuchen am Feld so viel wie möglich beim Gemüse zu mulchen und den Boden immer bedeckt zu halten, auch durch Untersaaten beim Gemüse und Zwischenfruchtbegrünung beim Ackerbau. Beim Gemüseacker hilft uns der Biber. Der Bach hinterm Acker ist durch den Biberdamm aufgestaut, das hebt den Grundwasserspiegel. Wir sind begeistert.“
Alleskönner Agroforst
„Zukunftsfähige Landwirtschaft braucht mehr Diversität und weniger ausgeräumte Landschaften. Durch langfristige Veränderung kann die Landwirtschaft Resilienz gegenüber Trockenstress und Starkregenfälle aufbauen“, meint Seidel. Ein System, das vor allem in kleineren biologischen Betrieben immer beliebter wird und für den Wasserhaushalt sehr viel beisteuern kann, ist Agroforst, womit eine Kombination von Gehölzen mit Ackerkulturen oder Grünland gemeint ist.

Durch die Baumreihen werden die Windgeschwindigkeiten und somit die Verdunstung reduziert. Tiefe Baumwurzeln dienen als Wasser- und Nährstoffpumpe, verbessern die Bodenstruktur und verringern Erosion sowie Nährstoffverlust. Alfred Grand, Bio-Gemüsebauer und Experte für regenerative Landwirtschaft erklärt dies so:
„Die Bäume transportieren über ihre tiefen Wurzeln Wasser an die Oberfläche und verdunsten es über die Blätter. Dadurch kühlt die Temperatur im Schatten der Bäume im Sommer um bis zu 10°C ab.“
Agroforstsysteme können sehr individuell gestaltet und an die Bedingungen des Standorts angepasst werden. Alfred Grand empfiehlt, sich vor der Integration des Systems zu überlegen, was man davon erwartet: Fruchtnutzung für Direktvermarktung, Wertholzernte, Ökosystemleistungen, oder eine Kombination aus allem? Eine fortgeschrittene Option wäre die Kombination mit einem Keyline-Design. Die zentrale Idee des Wassermanagements durch Keyline besteht darin, den Oberflächenabfluss von Niederschlagswasser bewusst zu verlangsamen, das Wasser im Boden versickern zu lassen und eine möglichst gleichmäßige Verteilung zu erzielen. Dies geschieht durch die Anlage schmaler Gräben und Rinnen, die parallel zur Höhenlinie („Keyline“) verlaufen, um oberflächlich abfließendes Wasser aufzufangen und in Regionen mit weniger Wasser umzuleiten.


Andreas Wiesinger, Bio-Landwirt
„Wir sind hier im Weinviertel in einer Trockenregion. Ich arbeite an einem Bewässerungssystem, um die Pflanzen in niederschlagsarmen Zeiten gut mit Wasser versorgen zu können. So möchte ich die Qualität und den Ertrag steigern und die Möglichkeit schaffen, neue Kulturen anzubauen. Momentan ist dabei meine größte Herausforderung die Bürokratie und Finanzierung.“
Wasserwirtschaft als Langzeitprojekt
Viele der genannten Strategien und Maßnahmen brauchen viel Zeit und Geduld, wie auch Seidel bestätigt: „Man kann nicht in einer Saison den Wasserhaushalt sanieren. Ein gesunder Boden ist ein Projekt, das über Jahre geht.“ Ein Agroforst, sollte bestenfalls über Generationen gepflegt werden, wobei positive Effekte auch nach einige Jahren eindeutig sind. „Ich würde davon ausgehen, dass man ab 5 bis 10 Jahren nach der Pflanzung Unterschiede in Bezug auf z.B. Artenvielfalt, Winddruck, Mikroklima oder Humusaufbau sieht.“, so Grand.
„Man kann nicht in einer Saison den Wasserhaushalt sanieren. Ein gesunder Boden ist ein Projekt, das über Jahre geht.“
Solch langfristige Projekte brauchen Engagement, Finanzierung und Bürokratie. Ohne die Kooperation von Politik und Landwirtschaft geht’s also nicht. Für Seidel sollte die Senkung der Treibhausgasemissionen bei der Politik oberste Priorität haben. „Den Klimawandel, soweit es geht, aufzuhalten, ist natürlich das Allerwichtigste“, so die Expertin. Um konkrete Maßnahmen gegen die Wasserkrise in der Landwirtschaft zu setzen, plädiert sie für pragmatische Förderungen von Projekten wie Agroforsten. Auch ein regionales Wassermanagement ist gefordert, um das Wasser in der jeweiligen Region zu halten.
„Den Klimawandel, soweit es geht, aufzuhalten, ist natürlich das Allerwichtigste.“